Einigung bei Gesetzentwurf gegen Steuerhinterziehung

Die Financial Times und der Spiegel berichten dass sich die Koalitionsparteien übers Wochenende auf einen Kompromiss im Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung über Verdunkelungs- und Steueroasen geeinigt haben. Zwar seien manche Details noch umstritten, doch darüber, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen, scheint mittlerweile Einigkeit zu bestehen.

Das Tax Justice Network begrüsst es, dass es eindeutige Signale der deutschen Bundesregierung gibt, den Status Quo nicht länger hinzunehmen. Andererseits haben wir bereits im Januar in einer Analyse herausgestrichen, dass selbst der schärfere erste Gesetzentwurf nicht sonderlich erfolgversprechend war. Das liegt vor allem an zwei Gründen.

Erstens gibt es eine klare Zusage die Sanktionsdrohungen nicht in die Tat umzusetzen wenn die betreffenden Verdunkelungsoasen bestimmte Steuerrichtlinien der OECD umsetzen. Wir erinnern uns dass die Liste der Steueroasen binnen weniger Tage von spärlichen vier auf null geschrumpft war. Jersey, Guernsey, Isle of Man und andere standen noch nicht einmal auf der grauen Liste (die den Nachweis der Einhaltung der Richtlinien noch liefern müssen) weil sie den Anforderungen der OECD genügen würden: es reicht aus, 12 bilaterale Abkommen abzuschließen. Jersey tat dies unter anderem mit den Faröer Inseln und Grönland die zusammen kaum über 100.000 Einwohner zählen.

Die OECD-Richtlinien bergen für alle Entwicklungsländer und deren Bevölkerungen eine enorme Gefahr: wenn sich reiche Industrienationen mit bilateralen Abkommen zufrieden geben, dann wird das Druckpotential für Entwicklungsländer gegenüber den Steueroasen dahinschwinden. Entwicklungsländer werden nach einer bilateralen Kosmetik am Problem der Steueroasen schlechter dastehen als zuvor. Wenn sich keine weiteren und deutlicheren Schritte anschließen, dann werden sie zukünftig den Korruptions-Dienstleistern dieser Welt alleine gegenüberstehen.

Die Entscheidung, dass ein Staat die OECD-Richtlinien nicht einhält, muss in momentaner Lesart des Gesetzes in Rechtsverordnungen für jeden Staat erst noch im einzelnen getroffen werden. Der Bundesrat muss dabei zustimmen - das zeigt weiter, dass dieses Gesetz wohl eher nie zur Anwendung kommen wird. Das führt zum zweiten Kernproblem.

Die OECD-Richtlinien sind weder effektiv noch wirtschaftlich effizient und ermöglichen keine wirksame Bekämpfung endemischer Steuerhinterziehung. Eine Liechtensteiner Zeitung beschreibt einen Teil des Problems hier (die Überschrift lautet: "Von der Elastizität eines Standards"):
"Ein Gummiparagraf als Messlatte
Doch die Trennlinie zwischen den Listen ist unscharf. Das zeigt nicht nur die politische Diskussion, das zeigt bei näherer Betrachtung auch der OECD-Standard selbst: Die Artikel der OECD-Musterabkommen, die die neue globale Trennlinie zwischen Steueroasen und -wüsten festlegen, haben den Charakter von Gummiparagrafen."
Gummiparagrafen in internationalen Vereinbarungen bedeuten in diesem Fall nichts anderes als dass die OECD-Richtlinien so schlecht formuliert sind, dass sich bereits im Vorfeld Juristen in Stellung bringen können, um die Wirksamkeit der Vereinbarung zu unterhöhlen. Wenn dieser Spielraum zwischen Liechtenstein und Deutschland besteht, wie geht wohl ein solch regulärer Interpretationsstreitfall bspw. zwischen Liechtenstein und Indien oder Liechtenstein und Südafrika aus? Weiter heißt es in dem Artikel:
"Offene Interpretationsfragen
Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist die Frage, wann ein Land zugunsten der Steuerfahnder oder Finanzbeamten eines anderen Landes sein Bankgeheimnis lüftet. In den Alpenländern, die nun allesamt auf «grauen» Liste versammelt sind, werden die Standards eher restriktiv ausgelegt [...].
Die Interpretation des Eidgenössischen Finanzdepartments von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz geht so: Der Bundesrat habe entschieden, «dass die Schweiz den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens übernimmt», erklärte das Department vor wenigen Tagen, als die Schweiz Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA ankündigte. «Das erlaubt», hiess es weiter, «den Informationsaustausch im Einzelfall auf konkrete und begründete Anfrage mit anderen Ländern auszubauen». Ähnlich klingt das bei Österreichs Finanzminister Josef Pröll: Österreich werde künftig bei «begründetem Verdacht» einer ausländischen Behörde auf Steuervergehen des Kontoinhabers Informationen über Konten austauschen, sagt der Minister, schränkt aber ein, der Verdacht müsse «gut dokumentiert» sein."
'Konkrete und begründete Anfrage' bzw. 'begründeter Verdacht' sind die Garanten dafür, dass weder die Schweiz noch Österreich echte Zugeständnisse machen müssen, sondern sich in die Interpretationsspielräume zurückziehen können. Der Artikel schließt mit den Worten:
"Die Interpretationen des OECD-Standards gehen also recht weit auseinander. Und der Standard selbst lässt einen grossen Spielraum. Ein Tauziehen um die Interpretationshoheit ist damit für Verhandlungen über bilaterale Abkommen vor allem mit dem Hause Steinbrück programmiert."
Ein "bilaterales Tauziehen um die Interpretationshoheit" ist es genau, wofür sich die Steueroasen jetzt rüsten. Dieser Weg wird weiter hinein in den Status Quo führen. Wir brauchen eine echte multilaterale Lösung, die auf automatischem Informationsaustausch für alle steuerrelevanten Informationen beruht.