Der Inhalt dieses Blogs geht zurück auf einen gestrigen Beitrag im internationalen Blog von TJN. Der Blog ist zu wichtig um inhaltlich unberücksichtigt zu bleiben und zu gut geschrieben um nicht (zumindest in weiten Teilen) übersetzt zu werden. Im folgenden also eine freie Übersetzung des englischen Blogs (ohne Gewähr und mit herzlichem Dank nach London!). Vorab eine kurze Einführung in den Hintergrund des Blogs.
Vor wenigen Wochen hat Raymond Baker, der Direktor des eng mit TJN befreundeten GFIP (Global Financial Integrity Project) einen Meinungsbeitrag in der einflussreichen Financial Times veröffentlicht, in dem er über die schwindelerregenden Ausmaße der illegalen Kapitalabflüsse aus Entwicklungsländern berichtet hat. Am Rande dessen hat er die sogenannten "Standards" der OECD in Steuersachen als zwar gutgemeint, aber unzureichend kritisiert und erklärt, warum diese nicht ausreichen (siehe hier für mehr details). Nun hat die OECD einen Meinungsbeitrag an derselben Stelle in der FT veröffentlicht, der Zweifel am guten Willen der OECD aufkommen lässt. Auf die sehr konkreten Einwände Bakers geht er nicht ein und schwadroniert stattdessen in leerer Wohlfühlrhetorik:
Die OECD hat gerade auf Raymond Baker's exzellenten Kommentar in der FT geantwortet, und zwar mit einem daherstolzierenden Brief der wenig mehr zur Debatte beizutragen scheint als die Unerschrockenheit von Baker's Kommentar zu hinterfragen (jedoch nicht seine Daten). Ein Auszug aus dem der OECD in der FT liest sich wie folgt:
"Einflussreiche Nicht-Regierungsorganisationen wie etwa Global Financial Integrity können Entwicklungsländern eher in der Durchführung des bereits Beschlossenen helfen als zu riskieren, das bereits Erreichte durch den Ruf nach einer Öffnung der Debatte aufzulösen."
In anderen Worten: 'Wir (die OECD) haben hier das Sagen - unterstützt unsere Agenda, aber versucht erst gar nicht uns herauszufordern'. Aber das ist noch nicht das Ende ihrer hochmütigen Kurzsichtigkeit. Der Brief, geschrieben vom Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der OECD (Anthony Gooch), fährt fort, sich auf den fürchterlichen OECD-Mechanismus zum "Informationsaustausch auf Anfrage" beziehend:
"Während dieser sich universeller Befürwortung erfreut bleibt die Herausfordung jetzt, sie zügig und effektiv umzusetzen."
Universelle Befürwortung? Wirklich? Hat die OECD von der Europäischen Zinsrichtline (hier auf deutsch) gehört? Hat die OECD gehört von, - ähem -, was sie als einen kleinen Störfaktor betrachten könnte; einen Störfaktor, den man aber andernorts auch 'Zivilgesellschaft' nennt? Hat sie sich den Entwurf des TJN-Hintergrundpapiers angesehen? TJN hat gerade diesen Brief an eine sehr große Zahl von Menschen versendet, die am relevanten G20-Prozess beteiligt sind - die OECD täte gut daran das zur Kenntnis zu nehmen.
Ein wenig Hintergrundrecherche darüber, ob es 'universelle Befürwortung' der OECD-Politik tatsächlich gibt wäre angebracht bevor man Briefe wie diesen an Zeitungen versendet. Bei einem sehr gut besuchten Treffen in der London School of Economics gestern haben die Teilnehmer der OECD fast einvernehmlich ein vernichtendes Urteil ausgestellt weil sie offenkundig unfähig ist eine verantwortliche Führungsrolle in diesem entscheidenden Thema zu übernehmen.
Traurig ist, dass es einige Leute noch immer mit der OECD halten. Eine einflussreiche Stimme auf dem Treffen gestern (deren Name oder Zugehörigkeit wir unter Chatham House Regeln nicht veröffentlichen dürfen) sagte dass TJN's bevorzugtes Modell automatischen Informationsaustauschs nicht funktionieren könne weil Entwicklungsländer diesen nicht handhaben könnten.
Wirklich? Erstens, dieses Argument legt nahe, dass wenn es so schwierig ist, es einen Riesenberg an Informationen gibt der nach Süden fließen würde, was TJN's Kernargument bekräftigt. Zweitens, es ist außerordentlich bevormundend diesen Ländern zu sagen dass sie dazu nicht fähig seien. Wie Richard Murphy herausgestrichen hat braucht es für automatischen Informationsaustausch nicht viel mehr als ein Excel-Tabellenblatt. Drittens zeigt es politische Feigheit.
Letztes Jahr flog John Christensen nach Sambia. Er beschreibt seinen Empfang wie folgt:
"Bei Ankunft hat die Sambische Polizei meinen Pass genommen, ihn durch USAID-Computer gescannt, und innerhalb von wenigen Sekunden konnten sie auf meine Polizeiakten überall auf der Welt zugreifen. Das gleiche in Kenia und an jedem anderen Ort im Süden während der letzten drei Jahre."
Wenn Sie also das nächste Mal eine Grenze überqueren und Ihren Reisepass vorzeigen, führen Sie sich bitte vor Augen dass Sie hier ein globales, multilaterales System zum Informationsaustausch vor sich haben, das von Entwicklungsländern gekonnt mit technischer Unterstützung umgesetzt wird. Das schließt eine einmalige persönliche Nummer mit ein (ganz unten auf der bebilderten Seite des Reisepass wenn Sie einen neueren haben) und Informationen können sehr zügig und effizient ausgetauscht werden. Dieses System folgte den Terroranschlägen vom 11. September in den USA, und es zeigt dass - wo politischer Wille und die Technologie vorhanden ist - es sehr wohl möglich und umsetzbar ist persönliche Identifikationsnummern (PINs) zu erzeugen und ebenso Übereinstimmung darüber zu erreichen, welche Informationen ausgetauscht werden und wie der Austausch stattfinden soll.
Der OECD ist es nicht gelungen sich für eine technische Lösung für Steuerzahler-PINs stark zu machen geschweige denn eine solche zu entwickeln; ferner hat sie es nicht geschafft Übereinstimmung über die technischen Protokolle zu erreichen; und nun argumentiert sie dass niemand sie für ihren Ansatz kritisieren solle, der es erlaubt dass fast keinerlei steuerrelevanten Informationen über Grenzen fließen werden. Wir haben die OECD für ihren Ansatz zu den verhängnisvoll defekten Schwarz-Weiß-Grau-Listen bereits mit Asche überhäuft, und nun sind wir mit dieser neuen Eselei konfrontiert. Mr. Gooch und die, die ihn zu diesem Brief angehalten haben, sollten sich gründlich schämen.