TJN veröffentlicht hier einen detaillierten Hintergrundbericht von Rainer Falk zu den Begebenheiten um den Rückzug der Studie über Luxemburg als Steuer- und Verdunkelungsoase. Der Text erschien kürzlich im Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung und wir veröffentlichen ihn hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Politischer Sturm im Sommerloch: Finanzplatz oder Steueroase Luxemburg?
Es hätte ein so schöner Sommer werden können, nachdem Luxemburg endlich auf der Weißen Liste der OECD gelandet war. Doch die Atempause währte nur kurz. Im Juli veröffentlichte der Cercle de coopération eine Studie (s. Hinweis), die dem Finanzplatz deutliche Züge einer Steueroase bescheinigte und auch seine Rolle im Nord-Süd-Verhältnis problematisierte. Entsprechend heftig fielen die Reaktionen von Finanzplatz-lobbyisten und Politik aus. Ein Bericht aus der Sicht des Autors der Studie.
Die Reaktionen auf die Veröffentlichung der Studie „Zur Debatte um Steueroasen: Der Fall Luxemburg“ durch den Cercle de coopération, den Dachverband der Luxemburger Ent-wicklungs-NGOs, vor allem seitens der Bankiersvereinigung ABBL und der staatlichen Pro-motionagentur „Luxembourg for Finance“, waren so brüsk wie bei früherer Kritik am Lu-xemburger Finanzplatz. Doch das Besondere bestand diesmal darin, dass die Kritik sich nicht von außen, sondern innerhalb des Landes artikulierte.
Der Vorgang stellte zweifellos einen Tabubruch dar. Doch statt dies zum Anlass für eine überfällige Debatte zum Umbau des Finanzzentrums zu nehmen, folgte das Gros der Angriffe exakt jenem Muster, das in der Studie als „defensiv-hinhaltende Verteidigung von Luxembur-ger Partikularitäten“ analysiert wird. Dazu gehören pauschale Vorwürfe, die Arbeit mit Unter-stellungen und der Aufbau von „Pappkameraden“, auf die sich hernach umso leichter schießen lässt. Dabei fällt die Behauptung, die Finanzindustrie, „das Flaggschiff unserer Wirtschaft“, werde mit einer „Kombination aus unbegründeten Behauptungen, Hörensagen, Halbwahrheiten und einem Gebräu aus Lügen“ angegriffen (so die Stellungnahme der ABBL vom 24.7.2009), durchaus auf ihre Urheber zurück.
Falsche Vorwürfe: Drei Beispiele
- So sagte der ehemalige ABBL-Präsident, Lucien Thiel, in einer ersten Reaktion auf die Stu-die (gegenüber dem Tageblatt, 24.7.2009): „Folgt man der Überlegung von Rainer Falk, dann darf es keine internationalen Bankplätze geben.“ Diese Behauptung entspricht weder dem Inhalt noch der Intention der Studie. Eher ist das Gegenteil der Fall: Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Studie werden von der Zielsetzung geleitet, den Finanzplatz nachhaltig und zukunftsfähig zu machen und seine Reputationsprobleme zu lösen.
- In einer Stellungnahme der ABBL vom 24. Juli 2009 wurde behauptet, die Studie schätze das aus den Entwicklungsländern in Luxemburg angelegte Kapital auf 500 Mrd. Dollar. In Wirklichkeit geht die Studie jedoch davon aus, dass es maximal halb so viel sind, nämlich 250 Mrd. Dollar, die aus Entwicklungsländern stammen könnten.
- Einige Kommentatoren, so der Leitartikler des Luxemburger Worts vom 29.7.2009 und eine inzwischen wieder aus dem Internet verschwundene Stellungnahme des Direktors von Lu-xembourg for Finance, Fernand Grulms, kaprizierten sich darauf, dass die Studie irrtümlich davon spreche, der Luxemburger Spitzensteuersatz von 38% für Privatpersonen sei der nied-rigste in EU-Europa. In dieser Hinsicht räumt der Autor durchaus eine Unkorrektheit ein (es gibt noch niedrigere Sätze in der EU) – nur wird in der Studie explizit gesagt, dass die regulä-ren, in Luxemburg geltenden Steuersätze gerade nicht als Beleg für die Steueroasenthese ge-nommen werden können.
In der erwähnten Stellungnahme der ABBL wird behauptet, dass Luxemburg keine armen Länder „ausbeutet“. In der Studie kommt der Begriff „Ausbeutung“ allerdings kein einziges Mal vor. Vielmehr wird der Luxemburger Entwicklungshilfe von 409 Mio. Dollar ein ge-schätzter potentieller Steuereinnahmeverlust der Entwicklungsländer von „bis zu 2,5 Mrd. Dollar“ gegenüber gestellt. Diese Gegenüberstellung dient vor allem einem illustrativem Zweck. Die positive Rolle der Luxemburger Entwicklungshilfe an sich, die ich andernorts schon oft gewürdigt habe, wird dadurch nicht infrage gestellt, ihre quantitative Bedeutung in der Gesamtheit der Nord-Süd-Beziehungen allerdings relativiert.
Zur Frage der Ausbeutung im Nord-Süd-Verhältnis gibt es eine lange sozialwissenschaftliche Debatte, die gar nicht Gegenstand der Studie war und deren Rahmen auch gesprengt hätte. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, dass es nur Finanzleistungen in einer Richtung (und in Form von Entwicklungshilfe) gibt; natürlich fließt auch Kapital in Süd-Nord-Richtung nach Luxemburg zurück. In welcher Höhe, ist allerdings umstritten.
Wie viel Geld aus dem Süden?
In der Studie wird die Höhe des in Luxemburg angelegten Vermögens aus Entwicklungslän-dern an Hand von Zahlen des Weltreichtumsberichts von Capgemini/Merill Lynch und von internationalen Organisationen wie dem IWF und der OECD geschätzt. Die Prämissen und die einzelnen Schritte dieser Schätzung werden offen und transparent dargestellt. Gleiches lässt sich von den Zahlen, mit denen ABBL und die Aufsichtsbehörde CSSF operieren, nicht sagen. Wie beispielsweise die Zahl, im Private Banking-Sektor Luxemburgs würden insgesamt weniger als 300 Mrd. EUR gemanagt, zustande kommt, lässt sich nicht nachvollziehen.
Man kann den Kritikern nicht vorwerfen, dass sie sich mit den wenigen vorhandenen Statisti-ken behelfen, wenn sie dies offen ausweisen. Sinnvoller als sich gegenseitig Zahlen an den Kopf zu werfen, wäre es, auf die Erhebung und Veröffentlichung besserer Statistiken, z.B. zur geografischen Herkunft des in Luxemburg angelegten Kapitals und Vermögens, zu drängen.
Ausnahmeregime für ausländisches Kapital
Der Hauptkritikpunkt der Studie lautet nicht, dass alle möglichen Leute in Luxemburg ihr Geld verstecken (obwohl es auch dafür Anhaltspunkte gibt), sondern dass zahlreiche steuerli-che Vergünstigungen für ausländisches Kapital bestehen, wobei die Grenze zwischen Steuer-wettbewerb und Stimulierung zur Steuerflucht grundsätzlich fließend ist. In bewusster Zu-rückhaltung spricht die Studie deshalb davon, dass das Land „Züge einer Steueroase“ trägt, sich aber doch von klassischen Steueroasen unterscheidet.
Dass zahlreiche Steuervergünstigungen für ausländisches Kapital bestehen, lässt sich ebenso wenig bestreiten, wie die Tatsache, dass der Luxemburger Finanzplatz mit dem Steuerwett-bewerb groß geworden ist. Dies in Kombination mit dem Bankgeheimnis für Nichtgebietsan-sässige führt dazu, dass das Land immer wieder wegen „schädlicher Geheimhaltungsbestim-mungen“ kritisiert wird, so zuletzt auch im Bericht der von norwegischen Regierung einge-setzten „Commission on capital flight from developing countries“, der in der Studie nicht mehr berücksichtigt werden konnte.
Die ABBL, so sagt sie, „bedauert tief, dass es nach verschiedenen Angriffen von außen nun auch in Luxemburg en vogue ist, das Flaggschiff unserer Wirtschaft (d.h. die Finanzindustrie) anzugreifen…“ Tatsächlich war die erwähnte Studie als ein Element in einer entwicklungspo-litischen Sensibilisierungskampagne gedacht, die Luxemburger NGOs in diesem Sommer zusammen mit NGOs aus Österreich und der Schweiz gestartet haben. Umso bedauerlicher ist es, dass der Cercle die Studie inzwischen zurückgezogen hat.
In gewisser Weise ist dieser Schritt nachvollziehbar, da er unter einem enormen politischen Druck erfolgte, den ABBL und Regierung gegen den Cercle aufgebaut hatten. Druckempfindlich sind NGOs heute nicht zuletzt aufgrund der hochgradigen Abhängigkeit von staatlichen Finanzmitteln. Dieses Dilemma teilt der Cercle mit anderen NGOs in anderen Ländern. Man muss nicht so weit wie das „International Tax Justice Network“ gehen und von einem „klaren Fall von Erpressung“ sprechen. Aber die Hoffnung, auf diese Weise eine überfällige Debatte im Keim ersticken zu können, dürfte auf Sand gebaut sein.
Die Debatte geht weiter
Und tatsächlich droht dem Finanzplatz schon wieder neues Ungemach: NGOs und Opposition in Kongo-Brazzaville klagen den kürzlich durch Wahlmanipulationen im Amt bestätigten Präsidenten, Denis Sassou Nguesso, an, auf Luxemburger Konten seines Klans zweckentfremdete Öleinkünfte seines Landes geparkt zu haben. Belegen lässt sich dies nur schwer, da die Gelder über undurchsichtige Schachtelfirmen angelegt sein dürften.
Aktenkundig und in Spezialinformationsdiensten wie www.congoinfos.com dokumentiert ist immerhin, dass der Nguesso-Klan einen Teil seiner Familienkasse über die in Luxemburg ansässige Holding „Matsip Consulting“ verwalten lässt. Die Holding finanzierte dem Präsi-denten-Neffen Wilfried Nguesso vor ein paar Jahren beispielsweise einen Aston Martin über ein Konto bei der Mutual Bank Luxembourg. Und das französische Office central pour la répression de la grande délinquance financière (OCRGDF) stellte 2007 in einer Untersuchung fest, dass die Nguesso-Familie in Frankreich nicht weniger als 112 Bankkonten unterhalte und ein Teil ihres Vermögens auch in Luxemburg angelegt sei – in Unternehmen wie der „Matsip Consulting“. – Ein Fall auch für die FIU, die Luxemburger Untersuchungsbehörde für Geldwäschedelikte?
Autor: Rainer Falk
Hinweis: * Rainer Falk, Zur Debatte um Steueroasen: Der Fall Luxemburg. Fragen aus entwicklungs-politischer Sicht, hg. vom Cercle de Cooperation des ONG de Développement au Luxembourg, Luxemburg, Juli 2009 (im Netz verfügbar unter www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org/materialien/index.php und www.astm.lu/spip.php?article1665&astm_lang=fr).Labels: entwicklung, luxemburg, Steueroasen