TJN's Partnerorganisation Global Financial Integrity (GFI) aus Washington hat eine neue bahnbrechende Studie aus ihrer Serie an ökonometrischen Untersuchungen über illegale Finanzströme (früher auch "Kapitalflucht" genannt) vorgestellt. Der Auftakt für die Serie an Publikationen ermittelte im Dezember 2008 den jährlichen Umfang dieser illegalen Finanztransfers aus Entwicklungsländern mit 850-1060 Milliarden zwischen 2002 und 2006 (mehr Hintergrund hier).
Im Februar 2010 hat GFI die Höhe des durch eine Form der Manipulation von Ein- und Ausfuhrpreisen entstandenen Steuerausfalls für Entwicklungsländer auf ca. 100 Mrd US$ jährlich beziffert (mehr Details hier).
Einen Monat darauf hat GFI eine Studie über private ausländische Portfolioinvestitionen vorgestellt, die den Zusammenhang zur Steuerhinterziehung beleuchtet (hier gibt es die Studie), und eine weitere Studie über die illegalen Kapitalabflüsse aus Afrika veröffentlicht (hier gibt es die Publikation).
Erst vor wenigen Tagen hat GFI der Welt vorgerechnet, dass Griechenland im letzten Jahrzehnt ca. 160 Milliarden US$ an illegalen Finanztransfers über die Zahlungsbilanz eingebüßt hat (Hintergrund dazu hier).
In der jüngsten Veröffentlichung stellte das Forscherteam nun die Frage nach den Zielländern der illegalen Finanztransfers (pdf hier). Wenig erquickliches kommt dabei für Industrienationen raus - Verdunkelungsoase hin oder her. In dem Begleittext der Forschung heißt es (frei übersetzt):
Unsere Arbeit zeigt, dass reiche, 'entwickelte' Staaten die wichtigsten Empfänger von Geldtransfers aus Entwicklungsländern sind. Banken aus Industrienationen absorbieren zwischen 56 und 76 Prozent solcher Finanzströme, wesentlich mehr als Offshore-Finanzzentren. Darum ist das Problem des Empfangs illegaler Finanzströme vor allem ein europäisches und nordamerkanisches, eher als eines von Steueroasen oder Schattenfinanzplätzen.
Die Implikationen für die Politikformulierung sind klar. Zwar müssen Entwicklungsländer Maßnahmen ergreifen um illegale Finanzströme zu unterbinden. Alle Anstrengungen Armut zu bekämpfen und ein nachhaltiges Wachstum anzustoßen müssen jedoch scheitern, so lange Industrieländer es ihren Banken und zugehörigen Schattenfinanzplätzen gestatten, die Entgegennahme illegaler Finanzmittel zu unterstützen.
In der Arbeit stecken viele Beobachtungen für angehende und gestandene Ökonomen darüber, wie löchrig und unübersichtlich die Datenlage vor allem in reichen Industrieländern über Finanzzuflüsse sind. Vielleicht könnte sich der ein oder die andere Ökonomin durch diese Befunde inspirieren lassen, ihren Grips statt auf ein weiteres Modell mit unplausiblen Annahmen auf diese Fragen zu verwenden? Wir harren der Zeit, da eine Beschäftigung mit diesen Fragen nicht länger das Aus einer universitären Karriere bedeuten.
Mehr Hintergrund gibt es im Englischsprachigen TJN-Blog (hier) oder direkt in der Studie von GFI (hier).Labels: entwicklung, finanzkrise, GFI, illegale kapitalflüsse