Tax Justice Network: G20 muss Kampf gegen Steueroasen wieder aufnehmen:

Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) fordert die Regierungen der G20 auf, den Kampf gegen Steueroasen auf ihrem Gipfel in Toronto wiederaufzunehmen. Schließlich stand das Thema auf dem ersten G20-Gipfel im April 2009 in London mit gutem Grund weit oben auf der Agenda: Zum einen hatte sich herausgestellt, dass viele der Geschäfte, die das Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatten, in Steuer- und Regulierungsoasen abgewickelt worden waren. Zum andern können die Regierungen in Nord und Süd bei der Bekämpfung der Finanzkrise und ihrer Folgen nicht auf das Geld verzichten, dass ihnen durch Steuer- und Kapitalflucht entgeht. Doch geschehen ist seither fast nichts.

Im Vorfeld des G20-Gipfels in Kanada erinnert das Netzwerk für Steuergerechtigkeit die Regierungen der G20 daran, dass der Handlungsbedarf unvermindert fortbesteht. „Wie lange wollen die Regierungen unter diesen dramatischen Umständen der jährlichen Steuerflucht in Milliardenhöhe noch zuschauen?" fragte Detlev von Larcher, Mitgründer des Tax Justice Network. „Die G20 müssen sich endlich diesem Problem stellen, und sie müssen endlich Fortschritte bei der lange angekündigten Regulierung der Finanzmärkte erzielen - einschließlich der in Steueroasen angesiedelten Akteure."

Das in Steueroasen angelegte Vermögen konnte sich laut dem neusten Reichtumsbericht der Boston Consulting Group ungehindert vermehren: von 6,8 Billionen 2008 auf 7,4 Billionen US-Dollar im vergangenen Jahr. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück bezifferte die Einnahmeverluste, die allein dem deutschen Staat durch Steuerhinterziehung entstehen, auf 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dem Schweizer Forschungsinstitut Helvea zufolge sollen allein in der Schweiz 132 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Deutschland angelegt sein. Aus Entwicklungsländern wiederum fließen nach Schätzung der US-Initiative Global Financial Integrity alljährlich Gelder in Höhe von bis zu 1 Billion Dollar ab, die auf illegale Weise erlangt, transferiert, oder angelegt wurden - zumeist in oder über Steueroasen.

Zwar hat die G20 im vergangenen Jahr eine Schwarze Liste von Steueroasen beschlossen, die von der OECD auch prompt vorgelegt wurde. Doch schon wenige Tage danach war die Schwarze Liste schon wieder leer. Dafür genügte es, dass die aufgelisteten Steueroasen ein paar Zugeständnisse über die Informationsherausgabe auf genau spezifizierte Anfragen hin machten. Die Anforderungen sind so streng, dass es in der Praxis kaum je zu Auskünften kommt. Die Steuerhinterziehung geht folglich unvermindert weiter.

Auch die Bundesregierung meint offenbar, auf die hinterzogenen Steuern gut verzichten zu können. Laut Bundesfinanzministerium gibt es derzeit keine Steueroase, auf die das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung anwendbar wäre. Denn das Ministerium gibt sich schon mit der bloßen Absichtserklärung einer Steueroase zufrieden, die OECD-Standards einzuführen.

Der Kampf gegen Steueroasen ist angesichts der Haushaltskrisen in zahlreichen Staaten dringlicher denn je. Und er ist keineswegs unmöglich. Das zeigen unter anderem die Beispiele Frankreichs, das die Quellensteuer auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben aus Steueroasen von 15 auf 50 Prozent angehoben und die 95-prozentige Steuerbefreiung für Dividenden von in Steueroasen ansässigen Konzerntöchtern gestrichen hat, und der USA, die mit ihrem konsequenten Vorgehen gegen die UBS das Schweizer Steuergeheimnis ins Wanken brachte und die darüber hinaus mittlerweile ihre Banken zur routinemäßigen Herausgabe von Informationen über Auslandskonten von US-Steuerbürgern verpflichtet.

Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit fordert die Regierungen der G20 auf, sich in ihrem Kampf gegen die Steueroasen nicht auf die nutzlosen Listen der OECD zu verlassen. Das Netzwerk hat bereits im vergangenen Jahr einen Schattenfinanzindex vorgelegt, der neben solch klassischen Steuer- und Regulierungsoasen wie der Schweiz und den Kaimaninseln auch solch höchst intransparente Finanzzentren wie London oder den US-Staat Delaware enthält. Der Index trägt der Tatsache Rechnung, dass geringe Transparenz - beispielsweise ein undurchlässiges Bankgeheimnis, keine Publizitätspflichten für Unternehmen oder keine Angaben über die Eigentumsverhältnisse - für Steuer- und Regulierungsoasen inzwischen zu einem ebenso wichtigen Standortfaktor geworden ist wie die geringe Besteuerung. Er stellt daher eine geeignete Grundlage für die G20-Staaten bei konsequenten Maßnahmen zur Bekämpfung der Steueroasen dar.

Für Rückfragen: Detlev von Larcher, 0160/9370 8007, detlev.larcher@attac.de

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