Ein Jahr Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung – Steueroasen weiterhin unbehelligt

Presseerklärung des Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network)

(Berlin, 28.07.2010) Das Netzwerk Steuergerechtigkeit kritisiert die Wirkungslosigkeit des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, das vor einem Jahr am 29. Juli 2009 in Kraft trat. Die Ausgestaltung des Gesetzes sei von vornherein völlig unzureichend gewesen. Während die öffentliche Hand massiv sparen und sich verschulden müsse, seien die Vermögen in Steueroasen im Jahr 2009 deutlich angestiegen.

Das Gesetz ist im ersten Jahr seines Bestehens kein einziges Mal zur Anwendung gekommen. "Das ist leider kein Zeichen für größere Steuerehrlichkeit, wie die CDs mit Tausenden von Betrugsfällen zeigen, sondern ein Zeichen dafür, dass dieses Gesetz ein zahnloser Papiertiger ist", sagt Markus Henn, Attac-Vertreter im Netzwerk Steuergerechtigkeit. "Die Finanzlobby hat das Gesetz so verwässert, dass die bloße Bereitschaft eines Staates zur Anwendung von OECD-Standards ausreicht." Nur deshalb könne die Bundesregierung nun erklären, es gebe gar keine Steueroase.

Dem Netzwerk Steuergerechtigkeit zufolge leidet das Gesetz jedoch vor allem an einem anderen Geburtsfehler. Weil der im Gesetz verlangte OECD-Standard keinen automatischen Informationsaustausch vorsieht, kommen Steueroasen weitgehend ungeschoren davon. Denn für konkrete Anfragen müssen die Steuerbehörden vorher schon wissen, wer welche Gelder wo genau angelegt hat. "Selbst wenn eine Steueroase den OECD-Standard erfüllt, sind die Steuerfahnder deshalb meist machtlos", kritisiert Henn.

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit verweist auf Alternativen: Brasilien habe eine eigene Liste mit 65 Steueroasen vorgelegt, das Netzwerk selbst eine mit 72 Steueroasen (www.financialsecrecyindex.com). Frankreich erhebe eine Sondersteuer für Banken mit Tochtergesellschaften in Steueroasen. Und die USA hätten der Schweizer UBS-Bank mit Lizenzentzug gedroht. "Auch Deutschland muss endlich ernst machen mit der Bekämpfung von Steuerflucht. Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Steueroasen ohne Verlagerung der tatsächlichen Geschäftstätigkeit dürfen nicht mehr möglich sein", betont Henn.

Wie unwirksam die internationalen Bemühungen gegen Steueroasen immer noch sind, zeigt der letzte Reichtumsbericht der Boston Consulting Group: Das Vermögen in Steueroasen ist von 6,8 Billionen US-Dollar im Jahr 2008 auf 7,4 Billionen im Jahr 2009 gestiegen. Dieses Geld geht sowohl Entwicklungsländern in dreistelliger Milliardenhöhe jährlich als auch Ländern wie Deutschland für dringend nötige öffentliche Ausgaben verloren.

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit fordert deshalb:
- eine wirksame Anwendung des Gesetzes durch die Setzung von Fristen gegenüber Steueroasen sowie die Erstellung einer Schwarze Liste von Steueroasen;
- eine Überarbeitung des Gesetzes, mit der Steueroasen zu einem tatsächlichen und automatischen Informationsaustausch verpflichtet werden.

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit ist Teil des internationalen Tax Justice Network, einem Zusammenschluss von verschiedenen Organisationen, die sich für nationale und globale Steuergerechtigkeit einsetzen. Mehr Informationen unter http://steuergerechtigkeit.blogspot.com/

Für Rückfragen: Markus Henn (Attac/WEED): 030-275-82249, 0176-37630916.
Pressemitteilung als pdf hier.

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