Warum Irland anders ist

BeobachterInnen der Finanzmärkte kennen den irrationalen Überschwang, der zuerst Märkte, dann Länder und schließlich Bevölkerungen regelmäßig an verschiedenen Orten der Welt in große Panik, Not und Armut stürzt.

Irland ist das jüngste Beispiel, und die panische Ansteckung macht blind für Unterschiede. Wenn die Marktteilnehmer daran aber nicht dauerhaft so trefflich verdienen, dann dauert diese Blindheit meist nicht lange. Daran verdienen können sie dann nicht mehr, wenn Informationen vorliegen, die den Überschwang lügen strafen.

Irland war besonders. Wie der ehemalige Cheföknomom des IWF gestern in der New York Times sagte (freie Übersetzung MM):
Mindestens 20 Prozent des irischen BIP stammt von "Geister-Konzernen", die wenig oder keine wirkliche Aktivität in Irland haben. Der Unternehmenssteuersatz liegt bei 12,5 Prozent, aber weltweit führende Unternehmen sind in der Lage komplizierte Steuersparmodelle unter Einbezug anderer Offshore-Steueroasen zu bauen, die ihre effektiven Steuersätze in den unteren einstelligen Bereich drücken.

Die Iren beharren darauf, dass die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes keine zusätzlichen Einnahmen generieren würde - und erkennen damit an dass dieser Teil der Wirtschaft nicht als Teil des Anti-Krisen-Politikmixes besteuert werden kann. Sie werden die Rückkehr der Realität schlussendlich daran erkennen, wenn alle relevanten Zahlen relativ zum BSP, nicht zum BIP, angegeben werden.
Diese Einschätzung hat überraschende Ähnlichkeit mit unserem Kommentar von Mitte Oktober (hier). Wenngleich der Artikel der NYT hier weiterer Ansteckung das Wort redet, möchte ich die Frage stellen: Könnten Griechenland und Irland mehr gemeinsam gehabt haben als sie mit anderen EU-Staaten teilen? Auf dem Stand bisheriger Informationen wage ich ein ja: diese beiden Staaten haben auf dem Papier gewirtschaftet, und dabei Korruption geduldet, erlitten, gefördert oder aktiv korrumpiert. Irland's papierne Unwahrheit spielte sich dabei vor allem im Finanzsektor ab, während Griechenland's Zahlentrickserei eher in unmittelbarer Regierungsverantwortung stand.

Die Hauptleidtragenden im Falle Irlands waren über Jahre nicht-Ansässige - ich kann zwar nicht mit Zahlen belegen dass es besonders Entwicklungsländer gewesen sind. Aber wenn nun US-Konzerne wie Pfizer, Microsoft und Intel heute am lautesten nach Beibehaltung der 12,5%-"Geistersteuer" rufen, dann spricht einiges dafür als könnte man die geschädigten Bevölkerungen anhand der Länder bestimmen, wo diese Konzerne aktiv sind.

Vielleicht lässt sich mit Mühe eine tröstliche Lehre in dieser Tragödie finden: Korruption zu fördern, wegzudefinieren, oder zu übersehen lohnt sich auch dann nicht, wenn die Geschädigten zunächst ganz weit weg scheinen. Blüht uns da etwa noch was?

Mehr Lesens- und Hörenswertes zum Thema Irland findet sich bei Erlassjahr (hier) und als Interview mit Markus Henn (hier), oder natürlich auf Englisch im Blog von TJN und Richard Murphy.

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