Deutscher Nationalismus blockiert...

...das Projekt einer Europäischen Kooperation bei der Unternehmensbesteuerung. Multinationale Unternehmen zahlen kaum noch nennenswerte Steuern auf ihre Gewinne. Schlimmer noch, in den meisten Ländern sind nicht einmal verlässliche Zahlen zu einzelnen Konzernen verfügbar. Und doch bremst Schäuble nun den Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) aus, und begründet dies mit der Sorge, dass deutsche Unternehmenssteuern dabei auf der Strecke blieben. Das Handelsblatt berichtete darüber gestern (und möge Zitierung verzeihen):
Für grenzüberschreitend tätige Firmen ist es aufwändig und teuer, ihrer Steuerpflicht nachzukommen. Das liegt an den unterschiedlichen Unternehmensteuersystemen in der EU. Brüssel will das ändern, doch Berlin blockiert.

Die geplante Harmonisierung der Körperschaftsteuer in der EU rückt wieder in weite Ferne. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt den Vorschlag von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage strikt ab. Das geht aus der Antwort des Finanzministers auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Aus der Wirtschaft hatte Semeta viel Applaus bekommen, als er im März vorschlug, die Körperschaftsteuer europaweit zu harmonisieren. Doch sein Vorschlag, europäischen Aktiengesellschaften die Möglichkeit zu geben, ihre Gewinne auf der Basis einer Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) zu versteuern, hat mit Schäubles Absage an das Konzept kaum noch Chancen auf Umsetzung.
„Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht die Einführung einer GKKB“, heißt es in dem Schreiben des Parlamentarischen Finanzsstaatssekretärs Harmut Koschyk an die Grünen. In Brüssel will Deutschland demnach ein deutlich abgespecktes Konzept vorschlagen. „Eine GKKB birgt für Deutschland das Risiko erheblicher, dauerhafter steuerlicher Mindereinnahmen“, heißt es in dem Schreiben. „Das ist eine klare Absage an die europäische Gemeinschaft“, bedauert der Grünen-Finanzpolitiker Thomas Gambke.
Das ist kein gutes Omen für die Steuergerechtigkeit in Europa und weltweit. In TJN haben wir zwar einige Probleme mit dem Vorschlag der GKKB (so sollten etwa Wahlmöglichkeiten der Unternehmen zwischen altem und neuem System eingeschränkt oder gestrichen werden und Mindeststeuersätze festgelegt werden) - dennoch: es scheint deutlich dass hier einmal mehr ein blinder und kurzsichtiger Nationalismus den Blick trübt.

Die Tatsache wird übersehen, dass eine grundlegende Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung dringend Not tut, und die GKKB die Tür dazu aufstoßen würde. Selbst wenn vorübergehend Steuereinbußen hinzunehmen wären, es würde weit überwiegen dass es endlich eine Aussicht darauf gäbe, Konzerne wieder effektiv zu besteuern. Ansonsten gewinnen Marktradikale Argumente weiter an Schwung, die nahelegen, wir sollten Unternehmen und Kapital künftig gar nicht mehr besteuern, weil sich ja zeigt, dass diese faktisch eh kaum noch Steuern bezahlen.

In diesem Licht ist die Haltung Schäuble's traurig, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der deutschen Erfahrung mit ökonomischem Nationalismus. Er ist gefährlich, und über den eigenen Tellerrand zu blicken schadet Politikern am allerwenigsten.

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