„Daher sind ‚normale Zinszahlungen‘ ebenso wie die im Rahmen der Abgeltungsteuer neu eingeführten Steuertatbestände (insbesondere Stillhaltergeschäfte, ausländische Dividenden, Termingeschäfte und Veräußerungsgewinne aus Aktien und sonstigen Kapitalforderungen) für Steuerausländer nicht kapitalertragsteuerpflichtig, wenn es sich nicht um Tafelgeschäfte handelt.“Die hier erwähnte Ausnahme - Tafelgeschäfte - sind für die in Rede stehende Frage irrelevant, weil Tafelgeschäfte insbesondere bei zinstragenden Wertpapieren fast nie vorkommen. Es handelt sich dabei um Geschäfte, bei denen ein physisch vorhandenes Wertpapier über den Bankschaltertresen (=Tafel) wandert, und im Gegenzug eine Auszahlung erfolgt.
„Hintergrund der gesetzlichen Ausgestaltung der beschränkten Steuerpflicht im Fall von inländischen Kapitalerträgen ist dem Grunde nach schon seit 1929 das Ziel, den Finanzplatz Deutschland zu stärken.“ (Seite 4, hier).Im Klartext heißt das: um ausländisches (Steuerhinterziehungs-)Kapital zur Stärkung des deutschen Finanzplatzes während einer Phase der Weltwirtschafts- und Währungskrise anzulocken, verzichtete man damals auf die Erhebung der Quellensteuer. Das Ausmaß der von dieser Steuerfreiheit begünstigten Finanzanlagen habe ich in meinem Buch "Steueroase Deutschland" anhand der bestmöglichen Methode und anhand von Zahlen der Bundesbank auf 2,5 bis 3 Billionen Euro beziffert. Wie weit ist die Politik denn bereit zu gehen, um den Finanzplatz Deutschland zu stärken?
Jule Reimer (Moderatorin) (37'40')': "Deutschland, Steueroase für Steuerausländer: Warum bietet sich Deutschland in dieser Form an und verzichtet da auf Steuereinnahmen, wenn Ausländer hier Geld anlegen?"Auf Nachfrage aus dem Publikum gegen Ende der Diskussion gestand Herr Sell zunächst, die Antwort auf die Frage, in welchem Ausmaß Zinserträge für Steuerausländer hierzulande von der Steuer befreit sind, nicht zu kennen, behauptete dann aber im Nachgang seiner Antwort, dass die Abgeltungssteuer gälte, und DBAs dafür erheblich seien, ob geringere Steuersätze greifen:
Michael Sell: "Das tun wir ja gar nicht. Wir nehmen also im Regelfalle über Zinsen, Dividenden, nehmen wir Quellensteuer, die dann in einem weiteren Bereich reduziert werden kann, nach den jeweiligen DBAs. Wir nehmen also Steuer von Ausländern, insbesondere eben auch von beschränkt Steuerpflichtigen [...]"
Jule Reimer: "Sie sagen Ausländer zahlen Steuern - Herr Schick, können Sie den Widerspruch auflösen, oder jemand anders, also den Herr Meinzer ja aufgeworfen hat, und Herr Sell sagt so ist es gar nicht. [...]"
Publikumsfrage von Markus Henn (1h27‘): "Ich habe eine Frage vor allem an Herrn Sell nochmal. Weil der Punkt, der treibt mich am meisten um jetzt auch noch: wie viel von diesen 2 oder 3 Billionen von Steuerausländern hier nicht besteuert sind. [...] Sie sagen ja jetzt sehr pauschal es sei alles von der Abgeltungssteuer besteuert, wenn ich Sie richtig verstehe [...] Mir ist wirklich jetzt nicht ganz klar, wie viel dieser 2 Billionen € auch aus ihrer ganz offiziellen Sicht jetzt wirklich alle besteuert werden und da völlig unbesteuert sind. Können Sie das nochmal klarstellen ob Sie jetzt behaupten die 2 Billionen sind erstmal durch die Abgeltungssteuer voll besteuert, oder im Rahmen von DBA, oder gibt es einen erheblichen Teil der 2 Billionen die wirklich nicht besteuert sind und nur darauf vertraut wird, dass die im Ausland, also im Heimatland gemeldet werden, was dort ja oft nicht der Fall ist [...]."Später, bei der Podiumsdiskussion in der Urania am 19. Januar 2016 unter anderem mit dem parlamentarischen (Steuer-)Staatssekretär im Finanzministerium, Dr. Michael Meister, legte dieser noch eins drauf. Er unterstellte mir auf dem Podium, dass ich Dinge erfinden würde, um das Buch besser zu verkaufen. Ich hätte keinerlei Belege für meine Behauptungen. Und er verstieg sich zu einer bemerkenswerten Fehlleistung, indem er zwei Mal breit erklärte, wie angeblich Zinsen in Deutschland doch auch von Steuerausländern per Quellensteuerabzug der Besteuerung unterlägen:
Michael Sell (1h27'45''): "Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten, aus dem einfachen Grunde, weil das zu den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich ist. Es gibt nach den DBAs völlige Freistellung, wir haben Zinsen zwischen Unternehmen, zwischen verbundenen Unternehmen, die EU-Richtlinie, die sogenannte Zins- und Lizenzrichtlinie, da gibt es keine, sozusagen, Abgeltungssteuer, geschweige denn eine Quellensteuer. EU-Recht verbietet das zwischen verbundenen Unternehmen. Bei Privatpersonen haben wir die Abgeltungssteuer, aber je nach dem wo diese Person sitzt wird das mit den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen vielleicht niedriger gestellt als die 25% [...]."
Ute Holzhey, Moderatorin (24'20''): "Zum meinem großen Erstaunen schreiben Sie in ihrem Buch, dass Banken durchaus Schwarzgeld von Ausländern straffrei annehmen können, und darauf nicht einmal eine Abgeltungssteuer wirksam wird. […] Also Steuerausländer können hier einfach hingehen, sie können hier Geld hinbringen, und dann müssen sie keine Steuern bezahlen? Das ist ja fast unglaublich."Weil Herr Dr. Meister hier von „wir“ spricht, und ganz deutlich eine Klarstellung vornimmt, und keine Meinung äußert, scheint Herr Dr. Meister hier im Namen des deutschen Finanzministeriums zu sprechen (oder alternativ im Namen der CDU/CSU Fraktion?). Ist das so? Schließt sich Herr Schäuble wirklich der Meinung – nein: „Klarstellung“ – Herrn Dr. Meisters an, dass Zinserträge von Steuerausländern auf Bankguthaben, Staats- und Unternehmensanleihen wie von Meister zweimal en detail geschildert, mit einer Quellensteuer in Deutschland besteuert werden?
Markus Meinzer: "Ja. Im Jahr 2012 wurde auch nur 1% der hier angelegten 3 Billionen Euro an die Heimatfinanzbehörden gemeldet, also es ist nicht nur keine inländische Steuer erhoben worden, sondern es ist auch an die Heimatfinanzbehörden eben keine Meldung erstattet worden. […]"
UH (26‘45‘‘): "Ich würde wirklich nochmal nachfragen wollen. Wenn Steuerausländer nach Deutschland kommen und hier Geld anlegen, dann brauchen sie darauf keine Steuern zu zahlen, auch keine Abgeltungssteuer?"
Meinzer (26‘55‘‘): "Genau, wenn es bei der Bank angelegt ist, oder in Staatsanleihen angelegt ist, die Zinsen erwirtschaften, oder Unternehmensanleihen, die Zinsen erwirtschaften, dann sind diese Zinsen in Deutschland von der Abgeltungssteuer befreit, und es gibt nur in Ausnahmefällen Informationsweitergabe ins Ausland. […]"
UH: "Herr Meister, das verstehe ich nicht. Warum nehmen wir von diesem Geld nicht die Abgeltungssteuer, und warum melden wir das nicht den anderen Staaten, das wäre doch nur korrekt?"
Michael Meister (29'05''): "Also zunächst einmal verstehen Sie es deshalb nicht, weil es nicht stimmt was Herr Meinzer hier erzählt. […] Bei Kapitalerträgen ist es so, dass immer dem Sitzland, wo der Mensch zu Hause ist, das Besteuerungsrecht zusteht. Wenn jetzt ein Ausländer in Deutschland Kapitalanlagen hat, dann zahlt selbstverständlich das Institut, wo er angelegt hat, auch die Abgeltungssteuer, führt sie an die zuständige Finanzverwaltung ab, sei es ob es Inländer oder Ausländer sind werden die 25% an den Fiskus abgeführt. Darüber gibt es dann eine Bescheinigung, mit dieser Bescheinigung kann dieser Bürger aus dem Ausland zu der deutschen Steuerverwaltung gehen und kann sich 10% der gezahlten Steuer wieder erstatten lassen. Aber die Tatsache dass da keine Steuer gezahlt wird, findet nicht statt. Und der Rest der Besteuerung findet dann in seinem Heimatland statt, wo er steuerpflichtig ist […] Und deshalb ist die Situation, wie sie Herr Meinzer beschreibt, möglicherweise in seinem Buch so, aber nicht in der deutschen Realität. […] Ja der Faktencheck ist ganz einfach. Was ich erzählt habe ist die Realität, und Herr Meinzer möchte Bücher verkaufen, und das ist seine Realität (30‘50‘‘)."
Meister (48‘20‘‘): "Also eigentlich hab ich in der Mathematik mal gelernt, ich hab mal Mathematik studiert, dass derjenige, der eine Behauptung aufstellt, diese Behauptung beweisen muss, und die ganze Zeit Herr Meinzer, stellen Sie jetzt Behauptungen auf, und haben noch nicht eine einzige dieser Behauptungen bewiesen. Es ist eigentlich nicht die Aufgabe der anderen Diskutanten Sie zu widerlegen, sondern eigentlich ist es ihre Aufgabe, das was Sie hier behaupten, mal selbst zu beweisen. Und nicht zu einer einzigen Aussage die Sie heute Abend getroffen haben, haben Sie einen einzigen Beweis vorgetragen. Es ist einfach eine Folge von Behauptungen, die Sie in den Raum stellen, und dann unterstellen Sie anderen, sie müssten was dagegen tun. Bin der Meinung Sie müssten mal ein bisschen ernsthafter und korrekter arbeiten."
Meinzer (50‘30‘‘): "Dass Abgeltungssteuer gilt für Steuerausländer, für Zinserträge, ist nirgendwo in der Rechtsmaterie vorgesehen. Es steht nirgendwo drin, dass diese für Steuerausländer gilt. Da müssen Sie beweisen, wo und nach welcher Rechtsnorm wird die Abgeltungssteuer auf Zinserträge für Steuerausländer angewandt, nach welchem Paragraphen und Artikel. Dann können wir ins Gespräch kommen. Es gibt es einfach nicht, es ist eine Lücke. […]"
Meister (51‘00‘‘): "Ich hab vorhin das System beschrieben, und wenn der Herr Meinzer das nicht akzeptiert, es steht im deutschen Gesetz, da brauchen wir auch keine Quellen zu zitieren, auf jedes Konto in Deutschland wird Abgeltungssteuer abgeführt, mit 25%. Wenn man dann behauptet, dass man hier nicht steuerpflichtig ist, dann kann man einen Beleg bekommen über die Steuer die abgeführt worden ist, kann damit zum Bundeszentralamt für Steuern gehen, und dann kriegt man 10% von den 25% wieder erstattet. Und den Rest, den man ja dann noch immer bezahlt hat hier im Lande, kann man bei der heimischen Steuerbehörde […] vorlegen. […]. Da gibt es überhaupt nix zu belegen, das ist Steuerrecht und auch Steuervollzug in Deutschland, und wo Sie zu Ihren Ideen kommen, kann ich leider nicht nachvollziehen."
Aus dem Publikum Zuruf (52’00‘‘): Ja wo steht das denn?
Meister: Ja im Steuergesetzbuch.
Aus dem Publikum Zuruf: Ja wo denn da?
Meister: In der Kapitalertragsbesteuerung.
Aus dem Publikum Zuruf: Ja welcher Paragraf, sagen Sie doch mal. […] Sie haben da eine Schärfe reingebracht, das ist doch völlig unangemessen. [Applaus]
Meister: […] Ich hab gesagt was wir denken, welche Position wir haben, und was wir von den Aussagen von Herrn Meinzer halten, und damit hab ich das öffentlich hinreichend deutlich gemacht.
Dieter Lehmkuhl (Podium): Aber das ist eine Meinung, kein Beleg.
Meister (53‘10‘‘): Ach, das ist keine Meinung, das ist eine Klarstellung.
"Meines Erachtens geht es bei dem strittigen Sachverhalt um die unterschiedliche Besteuerung von Zinsen (in Deutschland wie in allen Staaten steuerfrei, da im Herkunftsland des Anlegers besteuert)".Auch diese Bewertung in Klammern ist faktisch nicht richtig - es gibt nicht wenige Staaten, die Zinsen von Steuerausländern durchaus an der Quelle besteuern, darunter zum Beispiel Australien, Brasilien, Japan oder die Schweiz (siehe Buch S. 52).
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