Analyse: Steuerflucht – Die internationale und europäische Dimension

In einem neuen Papier für die Friedrich-Ebert-Stiftung "Steuerflucht – Die internationale und europäische Dimension" analysiert Markus Henn von WEED den aktuellen Stand der Reformen. Das Gesamtfazit lautet:

Noch ist es nicht gelungen, Schattenfinanzplätzen und Niedrigsteuerländern ihr Geschäft endgültig kaputt zu machen oder besser gesagt all die Techniken zu unterbinden, mit denen ein Staat anderen Staaten große Steuerverluste zufügt. Auch wenn inzwischen vieles in Bewegung ist, braucht es noch einen langen Atem bei der Umsetzung und Nachbesserung der Maßnahmen. Und selbst ein völliges Scheitern ist noch möglich. Damit sich die Dinge dauerhaft ändern, muss ein Wandel der Mentalität es selbstverständlich werden lassen, sich um die Steuergesetze anderer Staaten und um eine gerechte Besteuerung von Vermögen und Unternehmen zu kümmern.

Bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung wurde mit der internationalen Einführung des automatischen Informationsaustauschs der richtige große Schritt getan. Das neue System ist aber unvollständig und insbesondere ärmere Länder werden vielleicht nicht davon profitieren.

Auch die Transparenz von Firmen, Stiftungen, Trusts und anderen Rechtskonstrukten wurde und wird in  Zukunft durchaus verbessert, vor allem über die Gesetze zur Bekämpfung der Geldwäsche. Doch einige alte Ansätze scheitern auch nach vielen Jahren, und die Bewährungsprobe der neuen Ansätze steht noch aus. Bislang kommt es auch noch nicht zu der nötigen öffentlichen Transparenz über die wahre Eigentümerschaft an Firmen, Stiftungen und Trusts. Der Erfolg der neuen Regelungen hängt bei alledem aber gerade an der Umsetzung, die angesichts unzureichenden Personals und fehlender Sachmittel in vielen Steuerverwaltungen nicht gesichert ist.

Bei den Maßnahmen gegen Steuervermeidung von Unternehmen im Rahmen des G20/OECD-Prozesses zu Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) sind viele richtige Ansätze letztlich verwässert worden. Jede Steueroase hatte dafür gesorgt, dass ihr Modell zur Förderung der eigenen oder ausländischen Unternehmen möglichst unberührt bleibt, seien es die Sondersteuerregeln in den Niederlanden und Großbritannien oder die laxen Regeln für Auslandsgewinne von Briefkastenfirmen in den USA. Wichtige Fortschritte gab es dennoch, allen voran die Einführung der länderbezogenen Berichte für Großunternehmen, selbst wenn die fehlende Veröffentlichung deren Wirkung mindert. Auch die neuen Regeln zur besseren Definition von steuerbaren Betriebsstätten oder gegen  Missbrauch von Steuerabkommen sind zu begrüßen.

Zugleich waren alle Staaten verengt auf das bestehende System der Verrechnungspreise und wollten nicht über grundsätzlich neue Ansätze sprechen. Ob das Herumflicken am alten System aber überhaupt etwas bringt, werden wir erst in ein paar Jahren halbwegs beurteilen können. Es würde jedenfalls wenig überraschen, wenn wir auch in fünf Jahren noch Schlagzeilen sehen werden, dass ein US-Unternehmen auf seine Auslandsgewinne nur ein Prozent Steuern zahlt.

Die Diskussion über einen Systemwechsel in der internationalen Unternehmensbesteuerung ist unausweichlich. Ökonomisch führt wegen der steigenden Integration der Weltwirtschaft auf Dauer kein Weg vorbei an einer Gesamtbetrachtung eines Konzerns mit einer Gewinnaufteilung anhand harter Kennzahlen. Zugleich stellt die Digitalisierung jedes Steuersystem, national und international, vor große Herausforderungen, für die noch keine richtigen Lösungen vorliegen.

Auch andere strukturelle Maßnahmen wie eine Besteuerung an der Quelle der Wertschöpfung oder eine Beseitigung des Steuerwettbewerbs über Mindeststeuern müssen vorangetrieben werden. Wenn es nicht zu solchen grundsätzlichen Reformen kommt, wird die Unternehmensteuer und mit ihr die Steuergerechtigkeit dauerhaft gefährdet bleiben.

Hier geht es zum ganzen Papier.