Gastbeitrag: Mutige Schritte statt Wanken unter Druck

Andreas Missbach arbeitet bei der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern zum Thema Banken und Finanzplatz Schweiz. In seinem Blogbeitrag fasst er die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz zusammen:
Abstract: Die Schweiz spielt trotz der längst fälligen Übernahme der OECD-Standards auf Zeit. Obwohl der absolute Schutz von Steuerhinterziehern auf dem Finanzplatz Schweiz damit Geschichte ist, will der Bundesrat Amtshilfe nur tröpfchenweise gewähren. Das wird nicht reichen, um die Schweiz aus dem Abseits zu manövrieren. Denn weltweit ist die Stimmung gegen Steueroasen und Steuerhinterziehung gekippt. Und für die Entwicklungsländer bringen die bisherigen Zugeständnisse viel zu wenig.
Die Ankündigung der Schweiz, die Standards der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu übernehmen und auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten ist ein historischer Dammbruch. Jahrelang hatte die Schweiz durch ihre Blockadehaltung die Anstrengungen der OECD hintertrieben.

Doch die Schweiz versucht weiter auf Zeit zu spielen und will den Informationsaustausch erst nach der Neu-Verhandlung von Doppelbesteuerungsabkommen gewähren. Amtshilfe soll es auch danach nur geben, wenn der Namen des Kunden und die Bank genannt werden. Doch diese genauen Informationen fehlen ausländischen Steuerbehörden häufig, auch wenn sie einen begründeten Verdacht haben, dass jemand Steuern hinterzieht. Die Schweiz ist mit ihrer Haltung auch im Widerspruch mit der OECD. Artikel 26 sieht nämlich vor, dass alle Informationen, die „vorhersehbar relevant“ für die Durchsetzung der Steuergesetze sind, ausgetauscht werden sollten. Und im Schweizerischen Rechtshilfegesetz ist weiterhin explizit festgehalten, dass die Schweiz bei Steuerdelikten keine Rechtshilfe leistet.

Noch immer hat sich in der Schweizer Politik die Erkenntnis nicht durchgesetzt, dass es sich bei der Steuergerechtigkeit gegenüber andern Ländern nicht um eine taktische, sondern um eine sozialethische Frage handelt. Unabhängig davon, welche Interessen diejenigen verfolgen, welche Druck auf die Schweiz ausüben. Wenn Grossbritannien mit seinen Steueroasen ein Doppelspiel betreibt – soll dies das unethische Verhalten der Schweiz rechtfertigen?

Ebenso wird hierzulande unterschätzt, wie stark die Regierungen der OECD-Länder beim Thema Steuergerechtigkeit Getriebene sind. Getrieben von der Mehrheit der Bevölkerung, die Ihre Steuern ehrlich bezahlt und die dank einer kritischen Medienöffentlichkeit immer besser darüber informiert ist, wie reiche Individuen und Unternehmen Steueroasen nutzen, um Steuern zu vermeiden. Das von der Erklärung von Bern (EvB) mit gegründete internationale „Taxjustice Network“ trug viel dazu bei, dass die Stimmung kippte und heute Nulltoleranz gegenüber Steuerhinterziehern und ihren Helfershelfer gilt.

Ein entscheidendes Argument für diesen Stimmungsumschwung sind die Auswirkungen von Steueroasen auf Entwicklungsländer. Der frühere McKinsey Chefökonom James Henry berechnete für die britische Entwicklungsorganisation Oxfam die Verluste der Entwicklungsländer durch Steuerflucht von Individuen, sie belaufen sich auf 64 bis 124 Milliarden Dollar jährlich. Hinzu kommen Verluste durch die Steuervermeidung von Unternehmen, laut einem Bericht des ebenfalls britischen Hilfswerks Christian Aid weitere 160 Milliarden Dollar. In jedem Fall übersteigen die Verluste der Entwicklungsländer deutlich die 103 Milliarden Dollar, die sie als Entwicklungshilfe erhalten. Die EvB schätzt die Verluste der Entwicklungsländer durch Steuerflucht in die Schweiz auf 5,4 bis 22 Milliarden Franken jährlich, ebenfalls ein Vielfaches der Entwicklungshilfe.

Entwicklungsländer brauchen mehr

Die Entwicklungsländer profitieren kaum von der Übernahme der OECD-Standards. Viele Entwicklungsländer haben gar kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz und natürlich werden jetzt zuerst die Abkommen mit den mächtigen Industriestaaten neu verhandelt. Auch sind die Anforderungen für ein formelles Gesuch um Amtshilfe für viele Entwicklungsländer eine zu hohe Hürde.

Die Ausdehnung der Zinsbesteuerung, die bisher nur für EU-Länder gilt, auf Entwicklungsländer wäre zumindest ein erster Schritt. Dies wurde von Bundesrätin Calmy-Rey bereits an der Uno-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung im letzten November in Aussicht gestellt.
Aber auch diese mit der Verrechnungssteuer vergleichbare Lösung gibt keinen Aufschluss über die Höhe der in der Schweiz angelegten Vermögen. Die Erklärung von Bern fordert deshalb gerade für die Entwicklungsländer den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden. Und sie steht damit nicht alleine da: Die vom Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz geleitete Expertengruppe zur Finanzkrise, die im Auftrag der UNO-Generalversammlung tätig ist, verlangt in Ihrem Bericht ebenfalls den automatischen Informationsaustausch. Denn die Milliarden, die Entwicklungsländern heute jährlich durch Steuerflucht auch in die Schweiz entgehen, sind dort für Investitionen in Bildung, Gesundheit und Bekämpfung der Armut dringend nötig. - Andreas Missbach

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