Verschwiegenheit um jeden Preis

Die US-Rohstofflobby klagt gegen Offenlegungspflichten im Rohstoffsektor

Wer gedacht hatte, mit der Verabschiedung der Durchführungsregeln zu den Offenlegungspflichten (wir berichteten) für die extraktive Industrie durch die US-Börsenaufsicht SEC wären die Bemühungen um mehr Transparenz im Rohstoffsektor einen wichtigen Schritt weiter gekommen, muss sich weiter gedulden. Denn die US-amerikanische Industrie wehrt sich mit Zähnen und Klauen gegen die neuen Regeln und hat nun Klage gegen die SEC eingereicht.

In einer gemeinsam von den Industrieverbänden American Petroleum Institute (API), Chamber of Commerce of the USA (CoC), Independent Petroleum Association und National Foreign Trade Council vorgebrachten Klage soll die Umsetzung des 2010 verabschiedeten Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act in einem wesentlichen Punkt verhindert werden. Sektion 1504 dieses Gesetzes sieht vor, dass an US-amerikanischen Börsen notierte Unternehmen mit Aktivitäten im Öl-, Gas-, oder Minensektor, Informationen über Zahlungen an Regierungsstellen im In- und Ausland offenlegen müssen – und zwar nach Ländern und Projekten disaggregiert. Damit sollte ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Korruption und Misswirtschaft geleistet werden. Die Gesetzesvorlage war im August von der SEC umgesetzt worden. Gegen diese Vorgaben richtet sich nun die Klage.

Das doppelte Spiel der Industrie

Besonders pikant ist, wer hinter den entsprechenden Verbänden steckt. So vertritt API die Interessen einiger der größten Ölkonzerne der Welt: Chevron, BP, ExxonMobil und Shell. Diese Konzerne sind im Vorstand der Extractive Industries Transparency Initiative vertreten, einer freiwilligen Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Ziele ähnlich denen des Dodd Frank Act durch freiwillige Verpflichtungen zu erreichen. Dass nun die Interessensvertretung dieser Konzerne gegen die verpflichtende Umsetzung von Transparenzstandards klagt, die sie anderswo vertritt, wirft ein Schlaglicht auf die Doppelzüngigkeit der Großindustrie und erlaubt Rückschlüsse auf deren tatsächliche Interessen.

Unverständliche Klagebegründungen

Konkret klagt die Allianz der US-Industrie auf Aufhebung der im August verabschiedeten Regeln. Die Klagebegründung ließt sich für europäische Ohren allerdings eher exotisch. So argumentiert der Anwalt der Kläger (Eugene Scalia, Sohn des für seine konservative Haltung berüchtigten Richters am Obersten Gerichtshof, Antonin Scalia), die SEC-Regeln verstießen gegen den ersten Verfassungszusatz der USA – gegen die Redefreiheit. Seine Mandanten würden zu "Rede" gezwungen, die sie nicht halten wollten. Auch so kann man Geheimhaltungspraktiken begründen.

Außerdem argumentieren die Kläger, das Zustandekommen der SEC-Regeln stünde in Widerspruch zu Gesetzesvorschriften und sei "willkürlich und ungenügend" (arbitrary and capricious) – auch das eine seltsame Aussage: die SEC hat über zwei Jahre an der Umsetzung von Dodd Frank 1504 gearbeitet und ist gerade wegen drohender Klagen sehr sorgfältig vorgegangen. Das bestätigt auch das Government Accountability Office (GAO, vergleichbar dem Bundesrechnungshof) in einer Ende September veröffentlichten Analyse.

Auch weitere Punkte der Klage entbehren jeder Grundlage: Zum wird angeführt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen würde untergraben und es würden zu hohe Kosten durch die Umsetzung entstehen. Das ist erstaunlich, denn die SEC-Regeln fordern nicht zur Offenlegung vertraulicher Informationen auf. Zum Kostenargument führt Ian Gary (Oxfam America) aus: "Würde die Offenlegung von Zahlungen tatsächlich Gewinne beeinflussen, würden führenden Unternehmen wie Statoil und Talisman Energy nicht schon längst genau diese Informationen veröffentlichen. Jedes gutgeführte Unternehmen sollte diese Informationen sammeln und bilanzieren. Und sollten keine Systeme zur Zahlungsverfolgung vorhanden sein, sollten Investoren sich fragen, warum."

In den USA formiert sich nun zivilgesellschaftlicher Protest gegen die Klage. Oxfam beispielsweise hat einen Antrag auf Anhörung bei dem zuständigen Gericht gestellt.

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