Starbucks Deutschland bezahlt seit zehn Jahren keine Ertragssteuern


Vor zwei Wochen waren die Medien Großbritanniens voll von Starbucks' Steuervermeidung (etwa hier, hier, oder hier). Der Bericht löste unter anderem eine parlamentarische Untersuchung aus und führte zu Boykott-Aufrufen gegen die Café-Kette (siehe hier). Starbucks, so hatte ein Reuters-Journalist recherchiert, bezahlte im Vereinigten Königreich in den letzten 14 Jahren nur 8.6 Millionen Pfund Ertragssteuern, obwohl Starbucks in diesem Zeitraum Café für über 3 Milliarden Pfund verkauft hat.  Über komplexe Gewinnverlagerungsstrategien wurden Gewinne steuerfrei ins Ausland geschafft, etwa durch konzerninterne Lizenzzahlungen und Fremdfinanzierung, oder indem Kaffeebohnen über die Schweizer Tochter eingekauft wurden.

Man könnte denken dass diese Geschichte durchaus auch in Deutschland für Schlagzeilen sorgen könnte, immerhin betreibt Starbucks rund 150 Läden in Deutschland. Erfreulicherweise hat die FAZ vier Tage später einen runden Artikel zu dem Thema gefahren ("Wut am britischen Kaffeetisch", siehe hier). Darüber hinaus jedoch gab es über die Steuertricks keine Berichterstattung in deutschen Printmedien (jedenfalls online).

Wer glaubt das läge an der Entfernung des Vereinigten Königreiches, der täuscht sich, denn gestern lieferte Reuters nach: Starbucks erklärt seinen Investoren, dass in Europa 2011 US$ 40 Millionen Gewinn eingefahren wurden, während Starbucks in den drei wichtigsten Europäischen Märkten (Deutschland, Frankfreich, Vereinigtes Königreich) mit über 90% des Europäischen Umsatzes einen Verlust von US$ 60 Millionen ausgewiesen hat.

Die Jahresabschlüsse der deutschen Starbucks Tochter "Starbucks Coffee Deutschland GmbH" wiesen in jedem Jahr seit 2002 Verluste aus. Für 2011 wurde bei €117 Mio. Umsatz ein Verlust von € 5,3 Mio. ausgewiesen. Zum Vergleich: die deutsche McDonald's Tochter zahlte für 2010 (das letzte Jahr mit vollen Zahlen) bei € 196 Mio. Umsatz immerhin bescheidene € 12,6 Mio. Ertragssteuern.

Und was macht der Spiegel angesichts dieser Fakten? Er veröffentlicht heute (siehe hier) im Wirtschaftsteil einen Artikel über Starbucks finanzielle Performance, in dem die Steuervermeidungsthematik...vollkommen fehlt!

Ursache für diese Gewinn- und Steuergymnastik sind löchrige Rechnungslegungs- und Steuerregeln. So ist es möglich, konzerninterne Dienstleistungen auch grenzüberschreitend vom Ertrag abzuziehen. Beim deutschen Starbucks besteht der größte gewinnmindernde Abzug in Lizenzgebühren, die mit 6% auf den gesamten Umsatz zubuche schlagen und praktischerweise an die Niederländische Holding "Starbucks Coffee EMEA BV" für die Nutzung des Markenzeichens sowie von Unternehmensprozessen überwiesen werden (auch Bono von U2 kennt übrigens die Vorzüge der Niederlande in diesem Punkt, siehe hier und Hintergrund Niederlande als Steueroase hier). Die Starbucks Steueraffäre wirft auch wichtige Fragen in Bezug auf fairtrade auf, denn bekanntlich bezieht Starbucks fairen Kaffee. Wie viel Steuervermeidung genau verträgt also das fairtrade-Siegel (siehe Hintergrund hier)?

Ein erster Schritt um diesem Problem Herr zu werden wäre die Einführung einer länderweise Offenlegungspflicht für Konzerne - wie sie inzwischen auch PriceWaterhouseCoopers prominent untersucht (siehe hier und hier). Der erste Schritt könnte bald auf Europäischer Ebene getan werden (siehe hier). Eine solche Offenlegungspflicht würde es erleichtern festzustellen, welche Konzerne sich am  aggressivsten steuerlich arm rechnen, den Investoren gegenüber aber glänzen. Das ist letztlich für Konsumenten (die ja auch Steuerzahler sind) ebenso relevant wie für Steuerverwaltungen, die dann ihre knappen Prüfungs- und Fahndungsressourcen besser einsetzen könnten. In einem Bild sieht die  Rechnungslegung nach Ländern so aus:

Was der nächste Schritt danach sein könnte, können Sie hier und hier und hier erkunden.