"Aktionsplan" der OECD gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und Gewinnverlagerungen

Der OECD Action Plan
Am 19. Juli hat die OECD einen lange erwarteten "Aktionsplan" gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und Gewinnverlagerungen vorgelegt (auch unter dem englischen Kürzel BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) bekannt). Den Plan hatte die OECD im Auftrag der G20-Finanzminister erarbeitet, die ihn bei ihrem Treffen am 19. und 20. Juli in Moskau einstimmig angenommen haben (hier das Abschlusskommuniqué des Treffens).

Anders als viele Presseberichte vermuten lassen enthält der "Aktionsplan" der OECD nur wenige konkrete Vorschläge für Maßnahmen. Vielmehr handelt es sich bei den 15 Actions, die in dem Plan enthalten sind, um Arbeitsaufträge in verschiedenen Bereichen, die entsprechend ihrer Komplexität bzw. politischen Sensitivität bis September 2014 bzw. bis Mitte/Ende 2015 umgesetzt werden sollen. Die Arbeitsaufträge des "Forschungsprogramms" (Sven Giegold) lassen sich grob in fünf Kategorien unterteilen

  1. Analysen und Entwicklung von Lösungsansätzen für die Probleme, die sich der Steuerpolitik durch die digitale Wirtschaft stellen (Action 1).
  2. Analysen und Entwicklung von Lösungsansätzen für verschiedene Vermeidungspraktiken (Action 2-5).
  3. Das G20-Communiqué
  4. Analysen und Entwicklung von Lösungsansätzen für den Missbrauch von Steuerabkommen (Action 6, 7 und 14)
  5. Analysen und Entwicklung von Lösungsansätzen für Probleme beim Transfer Pricing (Action 8-10)
  6. Schaffung von Transparenz in den Bereichen Steuervermeidung sowie Transfer Pricing (11-13)

Zuletzt findet sich noch der Aufruf, die vorzuschlagenden Lösungsansätze in einem multilateralen Instrument zu bündeln (Die Vorschläge können hier  im Original nachgelesen werden. Das Dokument enthält auch Übersichtsdarstellungen am Ende). Erstaunlich und wenig erfreulich dabei ist, dass die OECD mit ihrer Arbeit noch nicht weiter ist. Die nun mit Zeiträumen bis 2014 bzw. 2015 versehenen "Forschungsprogramme" hätten schon längst vorangetrieben werden müssen. Offensichtlich hat bislang der politische Wille dafür gefehlt. Denn die nun untersuchten Probleme sind schon lange bekannt und die Entwicklung von Lösungsansätzen von zivilgesellschaftlicher Seite vorangetrieben worden. Man kann der OECD also bescheinigen, nun auf einen richtigen Weg eingeschwenkt zu sein. Allerdings tut sie das noch zu zögerlich.

Es ist sicherlich dringend notwendig, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Dienstleistungen und Produkte der digitalen Wirtschaft steuerlich zu erfassen sind - und auch richtig ist, dass es Lücken in den CFC Regeln (Regeln für Unternehmenstöchter ausländischer Konzerne) gegeben hat, wie die OECD richtigerweise eingesteht. Allerdings sind diese Probleme nicht den letzten Monaten vom Himmel gefallen. Vielmehr reagieren die Regierungen nun auf Missstände, die durch klamme öffentliche Kassen nun schmerzhaft geworden sind - und durch eine intensiver werdende Medienberichterstattung politisch brisanter.

Gleiches gilt für die nun angeregte Beschäftigung mit den Schwierigkeiten des Transfer Pricing. Die Probleme mit der steuerlichen Erfassung des konzerninternen Handels werden schon seit Jahrzehnten diskutiert und es liegen weitreichende Vorschläge zu ihrer Behebung vor (siehe z.B. das jüngste Papier es Tax Justice Network zu dem Thema  oder das Info Steuergerechtigkeit hier). Allerdings will die OECD am Grundproblem des Transfer Pricing festhalten, der Festlegung von Werten mit dem Fremdvergleichsprinzip. Ansätze wie die immer wieder vorgeschlagene unitary taxation werden von vornherein als politisch nicht umsetzbar ausgeschlossen. Damit beraubt sich die OECD vieler Spielräume, bevor sie mit ihrer Analyse der Probleme noch richtig begonnen hat.

Interessant sind Vorschläge, die von der OECD im Bereich Transparenz gemacht werden. So möchte die OECD Ansätze dazu entwickeln, wie Konzerne zur Offenlegung ihrer Steuer"optimierungs"praktiken verpflichtet werden können. Das wäre ein gänzlich neuer Gedanke, denn bisher werden Transparenzanforderungen so formuliert, dass ihre Ergebnisse Rückschlüsse über solche Praktiken zuließen (auch hierzu finden sich Vorschläge (vgl. Action 13)). Direkt vorzugehen hat einen gewissen Charme.

Nur erwähnt wird in dem "Aktionsplan" die Frage des automatischen Informationsaustauschs in Steuerfragen, obwohl die OECD an anderer Stelle zu diesem Thema arbeitet und hier sicherlich wichtige Anstöße auch für Probleme der Unternehmensbesteuerung zu finden wären. Das ist um so erstaunlicher, als das Communiqué der G20-Finanzminister konkret Bezug nimmt auf die Arbeit der OECD in diesem Bereich (hierzu werden wir noch gesondert berichten, zur Arbeit der OECD siehe hier).

Entsprechend der Ambivalenz des "Aktionsplans" fielen auch die Reaktionen in der Zivilgesellschaft gemischt aus. Positiv hervorgehoben wird zumeist, dass in der OECD offensichtlich ein Umdenken stattgefunden habe und nun die Notwendigkeit zu weiteren Schritten offen ausgesprochen würden (vgl. hier in einer Reaktion von Christian Aid, Oxfam und der Global Alliance for Tax Justice). Weiterhin wird die nicht ausreichende Beachtung der Länder des globalen Südens artikuliert. Länder außerhalb von OECD und G20 werden im Aktionsplan nur dort angesprochen, wo darauf hingewiesen wird, die UN würden in die Prozesse mit eingebunden (vgl. S. 25 des Aktionsplans).

Kritisch äußerte sich auch das Tax Justice Network (TJN), das bereits am 17. Juni mit einem Statement an die Öffentlichkeit getreten war. TJN kritisiert vor allem die Zögerlichkeit des OECD-Ansatzes und macht weitreichende Vorschläge zu einer umfassenden und holistischen Reform der Konzernbesteuerung (zur TJN-Reaktion geht es hier).

Zusammenfassend sei hier noch aus der Reaktion von Sven Giegold (MEP) zitiert: "Die OECD hat keinen Aktionsplan gegen aggressive Steuervermeidung vorlegt sondern ein Forschungs- und Verhandlungsprogramm. Seit 17 Jahren beschäftigt sich die OECD mit Steuerflucht und Steuervermeidung. […] Im Bericht wimmelt es von Vokabeln wie “to develop”, “identify”, “analyse”. Die OECD soll also in den nächsten Monaten die konkreten Aktionen erst aushandeln. Das dürfte genauso schwierig werden, wie in den letzten 17 Jahren."