G20 Beschlüsse zu Steuern

Wichtige Fortschritte, aber nicht der ganz große Wurf

Während in der medialen Wahrnehmung des G20 Gipfels am 6. und 7. September der Syrien-Konflikt im Vordergrund stand, haben die Staats- und Regierungschefs in St. Petersburg auch wichtige Weichenstellungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung auf den Weg gebracht. Die diskutierten Ansätze bringen teils große Fortschritte, v.a. im Bereich des Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden, zeigen aber auch die Begrenztheit der politischen Akteure, sich international zu wirklich wirksamen Maßnahmen aufzuraffen.

Die Beschlüsse des G20 Gipfels in Sachen Steuern sind in zwei Dokumenten nachzulesen: Zum einen in der Abschlusserklärung, der sog. G20 Leaders' Declaration , zum anderen in einem Annex, der sich ausschließlich mit dem Thema Besteuerung auseinandersetzt (dem Tax Annex to the St. Petersburg G20 Leaders' Declaration). Komplementiert werden die beiden Texte durch den Bericht des OECD-Generalsekretärs an die G20, der zum einen konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Untergrabung der Steuerbasis enthält (das sog. base erosion and profit shifting, BEPS), zum anderen einen Fortschrittsbericht zur Einführung eines wirksamen Mechanismus des Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden. Dieser Bericht, wie auch die übrigen Gipfelbeschlüsse basieren auf den Empfehlungen des G20-Finanzministertreffens vom 19./20. Juli in Moskau sowie eines dort vorgelegten OECD-Aktionsplans (wir berichteten).

Automatischer Informationsaustausch

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist der Beschluss der G20, sich gemeinsam mit der OECD für die Einführung eines bi-/multilateralen Systems des automatischen Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden einzusetzen. Dazu soll auf Ebene der OECD bis Februar 2014 ein Musterabkommen bzw. eine multilaterale Konvention entwickelt werden. Bis Mitte 2014 sollen dafür die technischen Details ausgearbeitet werden - hier geht es z.B. um das Format der Informationen, Datensicherheit etc. Gut ist auch, dass die G20 beschlossen haben, diesen Standard bereits bis Ende 2015 in ihren Reihen praktisch anzuwenden. Damit werden die internationalen Bemühungen sinnvoll ergänzt, die sich im Rahmen der internationalen Anwendung des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) der USA und der europäischen Zinssteuerrichtlinie abzeichnen (vgl. dazu z.B. Info Steuergerechtigkeit #10 "Offshore-Leaks und die Folgen").

Leider haben es die G20-Regierungen gleichzeitig versäumt, die nötigen Grundlagen für den  automatischen Informationsaustausch zu schaffen. Solange es bei Konstruktionen wie Stiftungen, Trusts oder Briefkastenfirmen keine öffentlich zugänglichen Register und keine Transparenz der wirtschaftlich Berechtigten gibt, wird es für Privatpersonen weiterhin ein Leichtes sein, Geld vor dem Zugriff von Steuerbehörden zu verstecken. Leider schweigt der Aktionsplan der G20 zu der Einführung öffentlicher Register mit den Eigentümern und Nutznießern von Unternehmen, Stiftungen und Trusts. Oder, um es mit den Worten von James Henry, dem Vorsitzenden des globalen Koordinationskommittees der Global Alliance for Tax Justice zu sagen:
"You don’t have to visit offshore havens like the Isle of Man, Panama or the Cayman Islands to find this loophole at work. Right now, for example, the State of Delaware alone is home to more than 900,000  shell corporations and thousands of trusts. None of them are required to register their beneficial owners with tax or law enforcement authorities. As one leading Panama attorney responded when I asked where he keeps his money: 'Oh, Delaware. Great laws, cheap because there’s so many companies – and by far the best secrecy.'" (aus einem Leserbrief an die New York Times).

Erosion der Besteuerungsgrundlage und Gewinnverschiebungen

Zur Bekämpfung der Steuervermeidung durch Großkonzerne, die in letzter Zeit in die Schlagzeilen gekommen war, hatte die OECD bereits im Juli einen Aktionsplan vorgestellt. Dieser wurde nun auch formell von den G20 Staats- und Regierungschefs angenommen. Die 15 Punkte des Plans enthalten dabei im wesentlichen folgende Vorschläge:
Wie wir bereits berichteten sind das zwar richtige Ansätze, ihre tatsächliche Wirksamkeit darf allerdings bezweifelt werden. Denn bei vielen Punkten des Aktionsplans handelt es sich eher um Forschungsaufträge als um konkrete Beschlüsse. Außerdem gehen die OECD-Vorschläge an ihrem zentralen Punkt, der Schwäche des transfer pricing Systems schlicht nicht weit genug. Zivilgesellschaftliche Organisationen (darunter die Global Alliance, das Tax Justice Network und andere) haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das transfer pricing nicht zuletzt an einer fehlerhaften Logik krankt und nicht nur an mangelnder Umsetzung. Deshalb wird seit langer Zeit darauf gedrängt, dieses System umfassend zu ersetzen. Eine viel diskutierte Möglichkeit wäre die Einführung einer Gesamtkonzernsteuer, wie sie bspw. schon zwischen einigen US-Bundesstaaten praktiziert wird. (Für weitere Informationen zu diesem Thema, vgl. Info Steuergerechtigkeit #4  und #11).

Einbeziehung der Länder des Südens

Dass Steuervermeidung und -hinterziehung für reiche Ländern ein Problem, für viele Länder des globalen Südens aber eine Katastrophe sind, hat sich mittlerweile auch bis in die Reihen der OECD und der G20 herumgesprochen. Konkret haben die G20 beschlossen, sog. "Entwicklungsländer" beim Aufbau effektiver Steuersysteme zu unterstützen. Außerdem laden sie diese Länder ein, sich an den einzurichtenden Systemen des automatischen Informationsaustausch zu beteiligen.

Das ist begrüßenswert. Allerdings wäre es wichtig und sinnvoll, die Länder des globalen Südens nicht nur als Unterstützungsempfänger zu behandeln, sondern vollwertig in die politischen Prozesse einzubinden. In der G20 sind die großen Schwellenländer vertreten. Gerade aber kleine und sehr arme Länder sollten die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren eigenen Positionen und Vorschlägen in die Prozesse einzubringen und nicht mit vollendeten Tatsachen konfrontiert werden. Dafür setzen sich auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen ein (z.B. hier nachzulesen). Dazu könnte auch gehören, internationale Organisationen mit mehr Legitimität (z.B. im Rahmen der UN) zu stärken oder die Zusammenarbeit mit regionalen Gruppen wie der Afrikanischen Union auszubauen.