Automatischer Informationsaustausch: Deutschland schließt Korruptionsbekämpfung anhand deutscher Kontodaten aus

Die Bundesregierung hat am 9. Juni ihre Referentenentwürfe für die Gesetze zur Umsetzung des neuen OECD-Systems zum Automatischen Informationsaustausch (Common Reporting Standard, "CRS") vorgelegt (wir berichteten hier über den Standard, und hier die vollständige Analyse auf Englisch en detail).

Auch wenn dieser Vorschlag einen großen Fortschritt darstellt, so bleiben nach der im November 2014 veröffentlichten TJN-Analyse noch immer wichtige Schlupflöcher bestehen. Auch Entwicklungsländer gehen nach bisheriger Ausgestaltung des Standards zunächst leer aus und werden auf die ihnen zustehenden, steuerflüchtigen Gelder wenn überhaupt nur mit hohen Hürden und mit großer zeitlicher Verzögerung zugreifen können (siehe hier). Auch die USA halten sich bisher vornehm zurück und drohen als die letzte Verdunkelungsoase in die Geschichtsbücher einzugehen (siehe hier).

Aber auch im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur gegenseiten Amtshilfe, welche diesen Standard in Europäisches überführt, lauern weitere Fußschlingen, um den neuen Standard zusätzlich ins Straucheln zu bringen. Also kommt es zunächst einmal darauf an, eine saubere Umsetzung in nationales Recht zu gewährleisten. Bei einer ersten groben Durchsicht fallen drei Dinge ins Auge.

1. Ein wichtiger Durchbruch im Entwurf ist die Verpflichtung hiesiger Banken, alle Auslandskonten in einem Schwung den Herkunftsländern zuzuordnen und so die Voraussetzung für einen reinen Tisch zu schaffen. Leider geht der Entwurf nicht den ganzen Weg, um diese Daten bis ins Finanzamt zu spülen, sondern verzichtet darauf, die Banken zur Übermittlung all dieser Daten an die Finanzverwaltung zu verpflichten. Stattdessen werden nur jene Daten zu Konten übermittelt, deren zugeordnete Herkunftsländer mit Deutschland eine völkerrechtliche Vereinbarung zum automatischen Informationsaustausch geschlossen haben. So kann es weiterhin politischen und diplomatischen Kuhhandeln überlassen bleiben, mit welchen Ländern tatsächlich Informationen ausgetauscht werden, und das Finanzministerium kann jegliche Kenntnis über das Ausmaß der Steuerflucht abstreiten.

Außerdem scheint der Passus nicht gerade sorgfältig und eindeutig formuliert zu sein, so dass Falschinterpretationen möglich, wenn nicht gar nahe liegend erscheinen. Auf Seite 7 des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Finanzen. Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung des EU-Amtshilfegesetzes und anderer Gesetze heißt es:
"§6 (2)Die Finanzinstitute haben zur Wahrung der Melde- und Sorgfaltspflichten nach diesem Gesetz zu allen von ihnen geführten Konten die steuerliche Ansässigkeit des Konteninhabers zu erheben und entsprechend dem Konto zuzuordnen unabhängig davon, ob es sich bei dem Kontoinhaber oder dem sonstigen Kunden um eine meldepflichtige Person im Sinne der Melde- und Sorgfaltspflichten handelt. Für diese Daten gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Vorgaben wie zu anderen von ihnen geführten Daten."
Dass diese Daten gleich en gros an die Finanzverwaltung gesendet werden wäre vor allem deshalb außerordentlich wichtig, damit es möglich wird einzuschätzen, ob und wie gut der automatische Informationsaustausch tatsächlich die gesamten Konten von Steuerausländern abdeckt. Wüsste man bspw., dass alle Banken in Deutschland aggregiert Kontostände von 2 Mrd. € aus Tunesien verwalten, dann könnte man leicht diese Summen mit den Statistiken der Bundesbank über die gemeldeten Auslandsverbindlichkeiten Deutschlands gegenüber Tunesien vergleichen und so Schlüsse über die Wirksamkeit des Standards bzw. neue etwaige Schlupflöcher oder Gesetzesverstöße durch Banken ziehen. Ohne solche Statistiken bleibt es unmöglich, irgendwelche Aussagen über die Wirksamkeit oder den Gesetzesvollzug zu treffen.

TJN hat bereits im Februar 2015 der OECD und dem Global Forum ein statistisches Erhebungsformat vorgeschlagen, um solche Daten zu sammeln (siehe hier). Es wäre entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Steuertransparenzagenda, dass Deutschland hier nachbessert und sicherstellt, dass alle Daten dem Bundeszentralamt für Steuern bereitgestellt werden und aggregierte Daten für statistische Auswertungszwecke veröffentlicht werden.

2. Der Verzicht auf solche statistische Minimaltransparenz ist insbesondere deshalb fatal, weil Verstöße gegen das Gesetz dem Entwurf nach nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden sollen. Auf Seite 38 heißt es:
 "Eine Zuwiderhandlung ist eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 379 Absatz 2 Nummer 1c der Abgabenordnung."
Diese Ahndung von Verstößen allein anhand von Ordnungswidrigkeiten ist albern und wird weiterhin dazu führen, dass Banken die Einhaltung dieser Vorschrift eher sportlich angehen werden und kaum riskieren werden, große Kunden - etwa ausländische Politisch Exponierte Personen - mit einer allzu gründlichen Anwendung des Gesetzes zu verschrecken. Strafrechtliche Sanktionen bei vorsätzlicher Verletzung der Berichtspflichten wären notwendig, damit Banken die Datenübermittlung (und auch erhebung) endlich zur Chefsache machen.

3. Zu guter Letzt pocht der Referentenentwurf weiterhin auf der Verwaltung von Vermögen aus Auslandskorruption durch inländische Banken. Wie sonst ließe sich die Vorgabe der Bundesregierung erklären, dass die Daten ausschließlich für Besteuerungszwecke verwendet werden dürfen - es sei denn, die Bundesregierung gibt ihr ausdrückliches Einverständnis im Einzelfall? Das steht auf Seite 15 (zu §7, Buchstabe d) im Referentenentwurf der Bundesregierung Entwurf für ein Gesetz zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 29. Oktober 2014 zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten.
"Entsprechend dieser Bestimmung wird die Bundesrepublik Deutschland eine Erklärung abgeben, wonach die Verwendung nach dieser Vereinbarung übermittelten Informationen ausschließlich für Zwecke des Besteuerungsverfahrens erfolgen darf. Die empfangende Stelle darf daher die Daten in Übereinstimmung mit Artikel 22 Absatz 2 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen nur zu dem von der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Erklärung angegebenen Zweck verwenden und unterliegt dabei den durch diese vorgeschriebenen Bedingungen. Die Verwendung für andere Zwecke ist nur mit vorheriger Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zulässig."
Damit bremst die Bundesregierung ohne Not die Aufdeckung und Ermittlung von Auslandskorruption und biedert sich weiterhin als sicherer Fluchthafen für Kleptokraten aller Herren Länder an.

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