Diese Frage legt jedenfalls eine neue Studie der European Services Strategy Unit (ESSU) nahe, die sich mit britischen Privatisierungsprojekten in Form von "Private Finance Initiatives" (PFI) bzw. "Public-Private Partnerships" (PPP) beschäftigt, darunter solche für Straßen, Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse. Die Studie zeigt, dass durch einen regen Handel mit Anteilen an diesen Projekten inzwischen Infrastrukturfonds mit Sitz in Steueroasen an 74% der 735 aktuellen PFI/PPP-Projekte Großbritanniens beteiligt sind. Allein die fünf größten dieser Fonds machten 2011-2015 rund 2,1 Milliarden Euro Gewinne, die laut ESSU nicht in Großbritannien besteuert wurden. Völlig neu ist die Verbindung von Privatisierung und Steueroasen jedoch
nicht: Bei den privatisierten britischen Wasserwerken wurde 2014
ebenfalls Steuervermeidung über Steueroasen festgestellt und schon in einer großen offiziellen Auswertung der britischen Regierung 2011 kam das Problem zur Sprache (siehe Nr. 86: "likely to adopt sophisticated tax limitation strategies"). Groß mit dabei in diesem PPP-Fonds-Geschäft ist der vom deutschen Baukonzern Bilfinger Berger aufgelegte Fonds "Bilfinger Berger Global Infrastructure" (BBGI), der seit 2011 an der Londoner Börse gehandelt wird und seinen Sitz in Luxemburg hat. In ihm stecken nicht nur britische PPP-Projekte, sondern auch laut seiner Webseite Anteile an Autobahnen in Kanada, Krankenhäusern in Kanada und Australien, Gefängnissen in Australien und Deutschland (Burg), zehn Schulen in Deutschland (in Frankfurt, Köln und Rodenkirchen) und Verwaltungsgebäuden in Deutschland (Unna und München) (siehe dazu auch einen guten Pressebericht hier).
Doch was haben unsere Autobahnen in Deutschland damit zu tun? Diese sollen nach Plänen der Bundesregierung in Zukunft über eine bundesweite Gesellschaft verwaltet werden, an der sich private Anteilseigner beteiligen – sogar mehr als der Hälfte könnte sich das Finanzministerium vorstellen. Dass das formelle Eigentum an den Autobahnen bzw. Fernstraßen dabei angeblich öffentlich bleiben soll, spielt nur eine untergeordnete Rolle, denn die praktische Kontrolle läge bei der Verwaltungsgesellschaft und vor allem müssten die Renditen der privaten Investoren bedient werden, die in der Regel vertraglich garantiert sind. Neben dem Problem der demokratischen Kontrolle der Gemeingüter entsteht zusätzlich ein großes steuerliches Problem. Denn wenn nun z.B. die Allianz Versicherung – die daran großes Interesse hat – Anteile an der neuen Gesellschaft erwerben wird, könnte dies auch durch eine Tochtergesellschaft in einer Steueroase geschehen bzw. könnten die Anteile auf Dauer dorthin verkauft werden. Und zusätzlich würden auf Projektebene, das heißt bei einzelnen Ausschreibungen der neuen Gesellschaft für Autobahnbau oder –sanierung, die Privaten noch mehr Zugang bekommen: Über öffentlich-private Partnerschaften für Einzelprojekte (siehe Karte hier) bekommen sie jetzt schon viele Millionen an Mauteinnahmen – und dann vielleicht zukünftig an Steuergeldern, die ebenfalls an Fonds und Verwaltungsgesellschaften in Steueroasen abfließen könnten. Zwar muss ein Sitz einer Gesellschaft oder eines Fonds in einer Steueroase nicht zwingend heißen, dass am Ende in Deutschland keine Steuern gezahlt werden, teils hängt dies auch von Einschätzungen und Erkenntnissen der Behörden ab. Doch häufen die oben genannten Luxemburger Fonds in der Regel das Geld von Großanlegern an (bei BBGI zum Beispiel war das 2015 mit rund 14% die Londoner Investmentfirma M&G Investments) und diese umgehen auch auf Dauer eine wirkliche Besteuerung. Zusätzlich brüstet sich ein Fonds wie der BBGI in seinem Verkaufsprospekt (S. 119) damit, in Deutschland keine Gewerbesteuer und keine Körperschaftssteuer zu zahlen, da man möglichst einen steuerlichen Sitz in Deutschland vermeide.
Wem angesichts dessen eine privatisierte Autobahngesellschaft nicht behagt, kann hier dagegen unterschreiben. Labels: ppp, privatisierung, Steueroasen