Neues aus der Hessischen Steueraffäre

Die Frankfurter Rundschau hat heute einen weiteren Artikel über die Hessische Steueraffäre. Wir haben bereits hier über diese Affäre berichtet. Der Artikel ist zu wichtig um hier nicht vollständig reproduziert zu werden (die FR möge verzeihen!).
FR: Hessisches Finanzministerium: Weimar wehrt sich
Von Matthias Thieme

Das hessische Finanzministerium hat am Freitag Vorwürfe zurückgewiesen, große Steuerhinterziehungsfälle seien in Hessen nicht richtig verfolgt worden. Bei den von der Frankfurter Rundschau genannten Fällen von Kunden der Deutschen Bank, die jeweils nur 208 Euro erbracht hatten, handele es sich lediglich "um einen kleinen Teilbereich" des Gesamtverfahrens bei einer Tochterbank. Gegen die Mutterbank habe das Land ein Mehrergebnis von 24,4 Millionen Euro erzielt, betonte das Ministerium. Hessenweit seien bei allen Verfahren gegen Banken rund 800 Millionen Euro an Steuern und Bußgeld eingenommen worden.

Was das Ministerium nicht sagt: Bei dem angeblich "kleinen Teilbereich" handelt es sich um nahezu das komplette Liechtenstein-Geschäft der Deutschen Bank, bei dem von 192 angelegten Fällen von der hessischen Steuerfahndung nur zwei verfolgt wurden. Bei den 190 unverfolgten Fällen handele es sich nicht um große "Stiftungs-Fälle", sondern um Auslandskonten mit "geringen Beträgen", so das Ministerium. Finanzminister Weimar (CDU) hatte von "vielen Rentnern" gesprochen, die auf Anraten der Bank kleine Konten in Liechtenstein eröffnet hätten.

Experten schütteln den Kopf

Außerhalb Hessens herrscht Unverständnis über diese Erklärungen des Ministeriums: Der Vizepräsident des saarländischen Finanzgerichts, Peter Bilsdorfer, findet Weimars Erklärung nicht plausibel. "Dass es sich bei diesen Steuerhinterziehungsfällen um Kleinbeträge von Rentnern gehandelt haben soll, ist absoluter Quatsch", so Bilsdorfer. "Das gibt es nicht." Liechtenstein sei "keine Kleinsparer-Steueroase", so der Vize-Gerichtspräsident. "In Liechtenstein bekommt man als Rentner gar kein Konto, für Rentner steht in Liechtenstein kein Banker morgens auf." Wenn sich bei einer solchen Prüfung wie in Frankfurt "nur 208 Euro pro Fall ergibt, stimmt etwas nicht", so Bilsdorfer. Weimar müsse diese Vorgänge lückenlos aufklären.

Das Ministerium hat am Freitag auch die Amtsverfügung gerechtfertigt, wonach Auslandstransfers unter 250.000 Euro nicht mehr verfolgt werden durften. Fahndungsexperten sagen bis heute, dass damit eine wirksame Verfolgung nicht mehr möglich war, weil große Steuerhinterziehung stets gestückelt in Teilbeträge und unter der Schwelle von 250.000 Euro betrieben worden sei. "Die Verfügung diente der Rettung von Steuereinnahmen", sagt dagegen das Ministerium. Man habe die Fälle an den Wohnsitzfinanzämtern zügiger bearbeitet.

Experten wundern sich auch darüber. Denn am jeweiligen Wohnsitz der Anleger gibt es oft gar keine Steuerfahndung - in ganz Hessen existieren nur sechs Fahndungsstellen. Verdi-Fahndungsexperte Reinhard Kilmer, der sich in den größten Verfahren gegen Auslandssteuerhinterzieher bestens auskennt: "Diese Amtsverfügung hat die Arbeit der Steuerfahndung Frankfurt definitiv behindert und zu erheblichen Steuerausfällen geführt." Eine derartige Behinderung von Fahndern, "hätte in anderen Bundesländern nie in die Welt gesetzt werden können", so Kilmer. "Für die Fahndungsarbeit ist das schrecklich, man darf solche Grenzbeträge nicht festsetzen." Die hessische Verwaltung habe sehr "unglücklich" gehandelt.

Diese Amtsverfügung "stoppte die Fahnder auf der Stelle, zugunsten jener Anleger, deren Verfahren von der Steuerfahndung noch nicht abgearbeitet worden waren", schrieb der Spiegel schon 2003. So seien diverse beschlagnahmte Konten nicht mehr ausgewertet worden. Darunter auch Konten von Prominenten, bei denen große Summen zu erwarten waren. "Die Finanzverwaltung weigerte sich schlicht, die Daten aufzuarbeiten."

Schon von Beginn an protestierten sowohl die Frankfurter Staatsanwaltschaft als auch der damals zuständige Bankenkoordinator bei der Steuerfahndung, Eckhard Pisch: Der Finanzverwaltung gehe es nur darum, die Fälle schnell vom Tisch zu bekommen, an den Steuermehreinnahmen sei das Land nicht interessiert. Zwei Tage nach seinem schriftlichen Protest wurde Top-Fahnder Pisch versetzt. Weimar beharrt auch am gestrigen Freitag noch darauf, die Verfügung sei nur "Teil eines rationelleren Bearbeitungsverfahrens" gewesen und erntet in Fachkreisen dafür bundesweit Stirnrunzeln.

Zu dem von der Frankfurter Rundschau vorgelegten Bericht des Bundesrechnungshofs von 2006, wonach das Finanzamt Bensheim von 100 Einkommensmillionären "keinen prüfte", teilt Weimar lediglich mit, der Bericht sei "nicht neu", man habe die Sache "aufgearbeitet". Kein Wort darüber, wie es in Hessen überhaupt so weit kommen konnte.

CDU-Mann droht Ungemach

Dem Finanzminister droht mittlerweile größeres Ungemach: Die mit falschen psychiatrischen Gutachten geschassten Steuerfahnder haben Weimars Angebot zur Rückkehr in den Dienst als völlig unzureichend bezeichnet und Konsequenzen in der Verwaltung gefordert: "Weimar kann nicht verleugnen, dass er von den Mobbing-Aktionen wusste", sagte Ex-Fahnder Marco Wehner der FR. Der Minister habe in Wehners Fall "eineinhalb Jahre lang gewusst, dass das Gutachten des Psychiaters zweifelhaft ist, weil die Ärztekammer schon ermittelt hat", so der 39-jährige frühere Fahnder. "Trotzdem hat Weimar mich zwangspensioniert und damit seine Fürsorgepflicht verletzt."

Der Ex-Fahnder Heiko Feser sagte: "Weimars Angebot beruht auf völlig falschen Rechtsnormen - jetzt sollen wir unsere Dienstfähigkeit untersuchen lassen, obwohl man uns mit falschen Gutachten für dienstunfähig erklärt hat." Weimar sei jetzt "gefordert, den alten Stand wiederherzustellen sowie die rechtsfehlerhafte und nichtige Ruhestandsversetzung zurückzunehmen". Es sei Sache des Ministers, "den widerrechtlichen Zustand aufzuheben, der durch die falsche Begutachtung entstanden ist", so Feser. Auch Ex-Fahnderin Tina Feser fordert: "Weimar muss die mit falschen Gutachten zustande gekommene und rechtsfehlerhafte Inruhestandsversetzung für nichtig erklären." Auf sein jetziges Angebot könne man "nicht eingehen, weil es auf falschen Grundlagen beruht".

Oberamtsrat Rudolf Schmenger findet Weimars Angebot irritierend: Er werde sich zur Frage der Rückkehr erst äußern, "wenn die Mobber aus dem öffentlichen Dienst des Landes Hessen entfernt worden sind". Gegen die Verantwortlichen müssten disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden. "Weimar entschuldigt sich nicht und versucht mit einem sehr unehrlichen Manöver, aus dieser Sache herauszukommen", so Schmenger. "Ich bin in der Universitätsklinik bereits nachuntersucht und für kerngesund befunden worden und arbeite als anerkannter Steuerberater. Wenn Finanzminister Weimar mich jetzt zum dritten Mal auf meinen Geisteszustand hin untersuchen lassen will, dann stellt sich mir die Frage, ob der Minister nicht selbst einmal dringend untersucht werden müsste."