SZ: Hat die Globalisierung der Finanzmärkte ihre Arbeit erschwert?Dass Luxemburg eine ausgesprochen schmutzige Weste hat, müssen wir den LeserInnen dieses Blogs nicht mehr erklären (siehe hier oder hier). Dass ein der Anglophilie kaum verdächtiger Franzose allerdings hier die Schweiz und Luxemburg, nicht aber die USA oder Großbritannien als die übelsten Orte benennt, dürfte einige dennoch überraschen.
Ruymbeke: Die Geschäfte sind so kompliziert geworden, dass wir Ermittler häufig keine Chance haben. Steuerparadiese gab es schon vorher. Sie sind seit jeher die Schlupflöcher für die Sparstrümpfe der Finanzeliten gewesen. Mit der Globalisierung sind aber die Finanzplätze zur Drehscheibe des Geldes geworden. Die Geldflüsse haben sich derart vermehrt, dass die Steueroasen und Finanzplätze einen Stellenwert bekommen haben, den sie vor 10 oder 20 Jahren nicht hatten.
SZ: Welches sind die wichtigsten Zentren?
Ruymbeke: Die Schweiz und Luxemburg, dort werden in den Treuhandgesellschaften die Finanzkonstrukte geboren. Das Geld zirkuliert aber an vielen Plätzen.
SZ: Luxemburg?
Ruymbeke: Ja, es ist ein europäisches Paradox, dass Luxemburg zwar ein Gründungsmitglied der EU ist, aber gleichzeitig eine bedeutende, undurchsichtige Drehscheibe für Schwarzgeld.
SZ: Obwohl Luxemburg zur Eurozone gehört, können Sie nichts dagegen machen?
Ruymbeke: Verdächtige, die ihre Geschäfte über die Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein abwickeln, können Einspruch erheben. Dann brauchen wir sechs Monate oder ein Jahr, bis die Behörden in den einzelnen Ländern antworten. Die Verdächtigen können aber per Mausklick in einer Minute enorme Summen von einem Finanzplatz zum anderen schieben.
SZ: Und Sie haben keine Handhabe?
Ruymbeke: Man müsste die Einspruchmöglichkeiten aufheben und die Kooperation mit diesen Ländern effizienter machen.
SZ: Woran die kein Interesse haben.
Ruymbeke: Die einzige Möglichkeit, sie dazu zu motivieren, ist, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Das ist mit der Schwarzen Liste der Steueroasen geschehen.
SZ: Hat das genutzt?
Ruymbeke: Nein, den Steuerparadiesen geht es trotz der OECD-Liste gut. Die Cayman Islands zum Beispiel kooperieren nur, wenn man ihnen das Bankkonto und den Namen der Bank nennt. Es hat sich also nichts getan. Es ist wie mit der Finanzmarktregulierung. Es geht alles wieder von vorn los.
SZ: Ist die Politik machtlos?
Ruymbeke: Ist es Heuchelei oder Ohnmacht? Jedenfalls kann kein Nationalstaat das Problem allein lösen, sondern nur die Staatengemeinschaft. Es ist wie beim Klima. Die Nationalstaaten müssen einen Teil ihrer Macht an eine supranationale Instanz abgeben.
SZ: Andererseits können einzelne Staaten auch gestohlene Bankdaten kaufen, wie es Deutschland getan hat, und so Steuerhinterzieher enttarnen.
Ruymbeke: Juristisch ist das angreifbar. Deutschland müsste solche Informationen aber auf legalem Weg erhalten können. Und zwar, indem die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg ihre Bankdaten auf einem zentralen Rechner speichern, so dass ausländische Behörden die Daten ihrer Staatsbürger einsehen können. Doch davon ist man weit entfernt. Bisher tun diese Länder nur so, als kooperierten sie etwas mehr, in Wahrheit herrscht weiter totale Intransparenz.
SZ: Hört sich nicht so an, als seien Sie zuversichtlich, dass sich daran was ändert?
Ruymbeke: Der Druck auf diese Länder wird umso großer werden, je stärker Staaten wie Deutschland oder Frankreich aufgrund der Haushaltsdefizite ihre Steuern erhöhen müssen. Die Schuldenberge können insofern auch etwas Gutes bewirken. Sie werden die Regierungen dazu antreiben, das versteckte Geld zurückzuholen. Es kann jedenfalls nicht angehen, dass diese Staaten den anderen das Geld wegnehmen. Dann würde es an den ehrlichen Steuerzahlern hängen bleiben, den Schaden zu beheben, den die Krise angerichtet hat. Das wäre ein Skandal und eine soziale Ungerechtigkeit.
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