Abgeltungssteuer Schweiz - Totgesagte leben länger

Nachdem Ende September die Länderfinanzminister und prominente Bundespolitiker der SPD angekündigt haben, das umstrittene Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz im Bundesrat nicht mitzutragen, haben wir uns gemeinsam mit Campact gefreut, dass das Steuerabkommen vor dem Aus ist.

Leider gibt es inzwischen wieder Anzeichen, dass die Bundesländer von der Regierung mit einem höherem Anteil der vermeintlich dann sprudelnden Steuereinnahmen gekauft werden sollen (Handelsblatt hier). Wie TJN für das weitgehend identische englische Abkommen vorgerechnet hat, sind die Einnahmeerwartungen an das Abkommen völlig überhöht, weil es mindestens 10 Schlupflöcher für die hartgesottenen Steuerhinterzieher offenhält (siehe Seite 14-15, pdf hier). Deshalb sollte die Offerte des Bundes an die Länder als ein Bluff aufgedeckt werden - Kleckerbeträge sollen aufgeteilt werden. Solange lediglich über die Anzahl der jährlich zu stellenden Informationsgesuche nachverhandelt werden soll, kann dieses Abkommen nur in einem finanzpolitischen Fiasko für Deutschland und den Rest der Welt enden.

Außerdem sollten einige der Details des Entwurfes zum Schweizer Durchführungsgesetz des Abkommens nachdenklich stimmen. Der Entwurf und der dazugehörige Regierungsbericht sind hier zu finden.

Der Entwurf ist noch in der Vernehmlassungsphase, also in einer schriftlichen Anhörung, in der Parteien und interessierte Kreise in der Schweiz weitere Änderungen anregen dürfen. Die Vorlage und der bundesrätliche Bericht dazu zeigen jedoch bereits einmal, wie sich zumindest die Schweizer Regierung die Umsetzung des Abkommens konkret vorstellt. Sie lassen ausserdem Rückschlüsse auf die mögliche Haltung der deutschen Regierung zu. Das dürfte für die parlametarische Beratung des Abkommens in Deutschland von hohem Interesse sein.

Drei Punkte fallen besonders auf.

Der erste Punkt betrifft die Informationsgesuche, mit denen die deutsche Regierung gemäss dem neuen Abkommen Angaben über die schweizerischen Bankverbindungen ihrer Steuerpflichtigen verlangen kann. Hier verneint Artikel 31 des vorliegenden Schweizer Gesetzesentwurf das Recht auf Zugang zu Informationen über die Zahl dieser Ersuchen.

Der Text im Begleitbericht gibt dazu folgende Erklärung:
"Um zu vermeiden, dass die Partnerstaaten unter Druck geraten, die Anzahl jährlicher Ersuchen voll auszuschöpfen oder im Inland drastische Massnahmen gegen ihre Steuerpflichtigen zu ergreifen, um den Erfolg der Ersuchen zu erzwingen, soll der Öffentlichkeit kein Zugang zu diesen Informationen gewährt werden."
Mit anderen Worten sollen auch und vor allem Zivilgesellschaftliche Gruppen wie etwa TJN in Deutschland von der Schweiz nicht erfahren dürfen, ob die deutsche Regierung ihre Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung bei der Schweiz voll ausschöpft.

Hier ist die wichtige Frage an die Bundesregierung: ist dieser Passus mit Schäuble und Co. abgesprochen? Konkret: Wird bei einem etwaigen Inkrafftreten des Abkommens auch die deutsche Regierung keine Aussagen zur Zahl der Gesuchseinreichungen veröffentlichen? Es würde in das Bild von Deutschland als Schattenfinanzplatz entsprechen.

Der zweite Punkt betrifft die Dokumentationspflicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Sachen Erträge aus der Abgeltungssteuer. Der Schweizer Abgeltungssteuervorschlag ist neu und in der Praxis noch nicht erprobt, doch hat TJN bereits auf zahlreiche mögliche Schlupflöcher hingewiesen (hier und hier und hier und hier). Diese könnten bewirken, dass letztlich so gut wie keine Erträge in die Partnerländer, also nach Deutschland, fliessen. Es wäre daher von höchstem Interesse, die tatsächliche Wirkung des Abgeltungssteuervertrags kritisch beurteilen zu können. Konkret bräuchte es öffentlich zugängliche Statistiken zu den Steuererträgen, die an die Partnerländer überwiesen werden. Das ist im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht so vorgesehen.

So sieht Artikel 19 zwar von Seiten der Schweiz Statistiken zur Abgeltungssteuer vor, aber keine zwingende Veröffentlichung (Abs. 2: "[Die ESTV] kann eine Zusammenfassung der Statistiken veröffentlichen.").

Informationen über Vermögenswerte, die noch vor der Einführung der Steuer ins Ausland abgezogen worden sind, sollen gemäss Artikel 26 nur an die Behörden der Vertragsstaaten gehen. Hier wäre eine Veröffentlichung dieser Zahlen im Sinne der internationalen Steuertransparenz und -gerechtigkeit klar wünschbar.

Die Frage von deutscher Seite her: Würde bei einem etwaigen Inkrafttreten des Abkommens auch die deutsche Regierung diese Angaben - wieviel Geld ergibt die Abgeltungssteuer und wohin sind vorher abgezogene Vermögen hingewandert? - ebenfalls nicht öffentlich zugänglich machen wollen?

Der letzte Punkt betrifft die tiefen Bußen für Finanzintermediäre, welche die Steuer nicht korrekt erheben oder weitergeben. Art. 37 des vorliegenden Gesetzesentwurfes sieht bei Verletzung der Regelungen (etwa durch die Finanzintermediäre) eine Strafe von maximal 250'000 Franken bei vorsätzlichem Handeln und maximal 100'000 Franken bei Fahrlässigkeit vor.

Das ist ein geradezu lächerlicher Betrag im Vergleich zum Umfang einiger undeklarierter Vermögen und den Profiten ihrer Verwalter. Die abschreckende Wirkung dieses Betrages ist fraglich. So wird im Schweizer Geldwäschereigesetz (GwG, Art. 37) eine vorsätzliche Verletzung der Meldepflicht mit immerhin bis zu 500'000 Franken, Fahrlässigkeit mit bis zu 150'000 Franken gebüßt. Selbst diese Beträge gelten unter Experten als disproportional tief und haben gemäss jüngstem Bericht der FINMA mindestens vier Banken auch nicht von groben Verstößen abgehalten.

Der deutsche Bundestag kritisiert bei der Abgeltungssteuer ja, dass das hoheitliche Recht der Steuereintreibung den Schweizer Banken zugewiesen wird, und befürchtet, dass diese Banken die Abgeltungssteuer nur ungenügend implementieren. Die Befürchtung, dass die Schweizer Bank die Abgeltungssteuer nicht korrekt einziehen könnten, wird durch die vorgesehenen tiefen Bußen nicht wirklich aus dem Weg geräumt. Vielmehr dürfte sie mit dem letztwöchigen FINMA-Bericht, wonach immerhin vier Schweizer Banken beim Geldwäschereigesetz und den Verordnungen in Sachen Diktatorengelder krasse Verstöße begangen haben, eher Auftrieb erhalten haben.

Labels: , , ,